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Kapital und Mehrwert. Das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus

1. Die Grundlage der Produktionsverhältnisse der kapitalistischen Ordnung.
2. Das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung. Die Verwandlung von Geld in Kapital.
3. Die Arbeitskraft als Ware. Wert und Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft.
4. Die kapitalistische Produktion als Einheit von Produktions- und Verwertungsprozess.
5. Die Produktion von Mehrwert als ökonomisches Grundgesetz des Kapitalismus.
6. Das Kapital als gesellschaftliches Verhältnis der Produktion. Konstantes und variables Kapital.
 Konstantes Kapital (c).
 Variables Kapital (v).
7. Die Rate des Mehrwerts.
8. Die zwei Methoden zur Erhöhung des Ausbeutungsgrades. Absoluter und relativer Mehrwert.
9. Der Arbeitstag und seine Schranken. Der Kampf um die Verkürzung des Arbeitstages.
10. Der Extramehrwert.
11. Die Klassenstruktur der kapitalistischen Gesellschaft. Der bürgerliche Staat.
12. Kurze Zusammenfassung

1. Die Grundlage der Produktionsverhältnisse der kapitalistischen Ordnung.

Der Kapitalismus ist die auf der Ausbeutung des „doppelt freien“ Lohnarbeiters basierende und zugleich die geschichtlich letzte Form der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Mit dem Übergang von der Manufaktur zur maschinellen Großindustrie wurde die kapitalistische zur herrschenden Produktionsweise. Um diese geschichtliche Entwicklung in ihrer Gesetzmäßigkeit zu verstehen, muss man wissen, worin das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung besteht. Denn nicht die einfache Entwicklung der Manufaktur zur großen Industrie, sondern das Auftreten vom Feudalismus unterschiedener Produktionsverhältnisse war entscheidend für das Aufkommen des Kapitalismus. Die Analyse der Produktionsverhältnisse der kapitalistischen Gesellschaft in ihrer Entstehung, ihrer Entwicklung und ihrem Niedergang bildet den Hauptinhalt des „Kapitals“ von Marx.

Die Grundlage der Produktionsverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft ist das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln. Das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln ist Privateigentum von Kapitalisten, das zur Ausbeutung von Lohnarbeitern ausgenutzt wird. „Die kapitalistische Produktionsweise“, lautet die klassische Charakteristik von Marx, „... beruht darauf, dass die sachlichen Produktionsbedingungen Nichtarbeitern zugeteilt sind unter der Form von Kapitaleigentum und Grundeigentum, während die Masse nur Eigentümer der persönlichen Produktionsbedingung, der Arbeitskraft ist.“[48]

Die kapitalistische Produktion beruht auf der Lohnarbeit. Der im Verlaufe der ursprünglichen Akkumulation mehr oder minder gewaltsam hergestellte „doppelt freie“ Lohnarbeiter war Bedingung dafür, dass das Geld die Wurzel der gesellschaftlichen Produktion, die Arbeitskraft, ergreifen und damit zu Kapital werden konnte. Die Lohnarbeiter sind frei von feudalen Fesseln; sie sind zugleich „frei“ von Produktionsmitteln, also jeglicher Produktionsmittel beraubt und daher gezwungen, ihre Arbeitskraft den Kapitalisten zu verkaufen, um leben zu können. Sie sind ökonomisch ans Kapital gefesselt. Die Ausbeutung des Proletariats durch die Bourgeoisie ist das Hauptmerkmal des Kapitalismus, und das Verhältnis zwischen Bourgeoisie und Proletariat bildet das grundlegende Klassenverhältnis der kapitalistischen Ordnung.

In den Ländern, in denen die kapitalistische Produktionsweise herrscht, bestehen neben den kapitalistischen Verhältnissen noch mehr oder weniger bedeutende Reste der vorkapitalistischen Wirtschaftsformen. Einen „reinen Kapitalismus“ gibt es nie und kann es nicht geben. In allen bürgerlichen Ländern besteht außer dem kapitalistischen Eigentum das Großgrundeigentum der Gutsbesitzer sowie das kleine Privateigentum der einfachen Warenproduzenten – der Bauern, Handwerker und Dienstleister –, die von ihrer eigenen Arbeit leben. Indessen spielt diese Kleinproduktion im Kapitalismus eine untergeordnete Rolle. Die Masse der kleinen Warenproduzenten in Stadt und Land wird indirekt von den Kapitalisten und den Grundeigentümern ausgebeutet – den Besitzern der Fabriken und Werke, der Banken, der Handelsunternehmen und des Grund und Bodens –, denn das kleine Privateigentum ist ökonomisch abhängig vom Kapital und dessen Staat.

Die kapitalistische Produktionsweise durchläuft in ihrer Entwicklung zwei Stadien, das vormonopolistische und das monopolistische Stadium. Die allgemeinen ökonomischen Gesetze des Kapitalismus sind in beiden Entwicklungsstadien wirksam. Zugleich weist der monopolistische Kapitalismus – der Imperialismus – eine ganze Reihe von wesentlichen Besonderheiten auf, von denen später die Rede sein wird.

2. Das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung. Die Verwandlung von Geld in Kapital.

Jedes Kapital beginnt seinen Weg in Gestalt einer bestimmten Geldsumme. Geld an sich ist noch nicht Kapital. Wenn z.B. selbständige kleine Warenproduzenten miteinander Waren austauschen, tritt Geld in der Eigenschaft des Zirkulationsmittels auf, dient jedoch nicht als Kapital. Die Formel der einfachen Warenzirkulation lautet: W (Ware) – G (Geld) – W (Ware), das heißt Verkauf einer Ware, um eine andere Ware zu kaufen. Die Formel W – G – W bedeutet Verkauf zum Zwecke des Kaufs, d.h. dass ein Gebrauchswert gegen einen anderen getauscht wird: der Warenproduzent gibt seine Ware fort, die er nicht benötigt, und erhält im Austausch eine andere Ware, deren er für die Konsumtion bedarf. Ein Gebrauchswert ist Ausgangspunkt der einfachen Warenzirkulation und ein anderer Gebrauchswert ihr Endpunkt. Der geldvermittelte Austausch von Gebrauchswerten ist der Zweck der einfachen Warenzirkulation.

Die allgemeine Formel des Kapitals lautet dagegen: G – W – G, das heißt Kauf für den Verkauf. Im Gegensatz zur einfachen Warenproduktion, wo qualitativ verschiedene Gebrauchswerte Anfangs- und Endpunkt des Tauschaktes bilden, sind bei der Formel G – W – G Ausgangspunkt und Endpunkt der Bewegung qualitativ gleich: am Anfang des Kreislaufs hatte der Kapitalist Geld, und am Ende des Kreislaufs hält der Kapitalist wieder Geld in der Hand. Die Bewegung des Geldes als Kapital wäre aber zwecklos, wenn der Kapitalist nach Abschluss der Operation die gleiche Geldsumme besäße wie am Anfang. Der ganze Zweck der Tätigkeit des Kapitalisten besteht demnach darin, nach Beendigung der Operation mehr Geld zu besitzen als anfangs. Die allgemeine Formel des Kapitals lautet in ihrer vollständigen Form G – W – G’, Kauf für den Verkauf zum Zweck der Bereicherung, wobei G‘ die angewachsene Geldsumme bezeichnet. Das Kapital, das der Kapitalist vorschießt, d.h. in die Zirkulation wirft, kehrt zu seinem Besitzer mit einem bestimmten Zuwachs zurück. Dieses Anwachsen des Kapitals aber ist gerade das, was sein Besitzer bezweckt.

Woher kommt dieser Zuwachs des Kapitals? In ihrem Bemühen, die wirkliche Quelle der Bereicherung der Kapitalisten zu verdecken, pflegen die bürgerlichen Ökonomen zu behaupten, dieser Zuwachs entspringt aus der Warenzirkulation. Diese Behauptung ist unhaltbar: Wenn Waren und Geldbeträge gleichen Werts, d.h. Äquivalente, ausgetauscht werden, kann kein Warenbesitzer mehr Wert aus der Zirkulation herausziehen, als in seiner Ware verkörpert ist. Wenn es jedoch den Verkäufern gelingen sollte, die Waren über ihrem Werte zu verkaufen, angenommen um 10% darüber, so müssen sie, sobald sie ihrerseits als Käufer auftreten, den Verkäufern eben diese 10% mehr zahlen. Was die Warenbesitzer also als Verkäufer gewinnen, verlieren sie als Käufer. Indessen hat im wirklichen Leben die gesamte Kapitalistenklasse einen Kapitalzuwachs zu verzeichnen. Offensichtlich muss der zum Kapitalisten gewordene Geldbesitzer auf dem Markt eine Ware finden, die nicht einfach nur Wert hat, sondern Wert schafft, und obendrein größeren Wert, als sie selbst besitzt. Mit anderen Worten, der Geldbesitzer muss auf dem Markt eine Ware entdecken, deren Gebrauchswert darin besteht, Quelle von Wert zu sein. Diese Ware ist die Arbeitskraft. Geld wird Kapital, sobald es zur Ausbeutung der Arbeitskraft verwandt wird.

3. Die Arbeitskraft als Ware. Wert und Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft.

Die Arbeitskraft ist die Gesamtheit der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, über die der Mensch verfügt und die er in Bewegung setzt, wenn er materielle Güter produziert. In jeder beliebigen Form der Gesellschaft bildet die Arbeitskraft ein notwendiges Element der Produktion. Aber nur im Kapitalismus wird die Arbeitskraft zur Ware.

Der Kapitalismus ist die höchste Stufe der Warenproduktion, auf der auch die Arbeitskraft zu Ware wird. Mit der Verwandlung der Arbeitskraft in eine Ware ergreift die Warenproduktion die Wurzel der gesellschaftlichen Produktion; die Warenproduktion erhält damit allgemeinen Charakter. Die kapitalistische Produktion beruht auf der Lohnarbeit, und das „Einstellen“ oder „Beschäftigen“ des Arbeiters durch den Kapitalisten ist nichts anderes als Kauf und Verkauf der Ware Arbeitskraft: der Arbeiter verkauft dem Kapitalisten seine Arbeitskraft, der Kapitalist kauft die Arbeitskraft des Arbeiters.

Nachdem der Kapitalist den Arbeiter eingestellt hat, besitzt er die volle Verfügungsgewalt über dessen Arbeitskraft. Der Kapitalist gebraucht diese Arbeitskraft, indem er den Arbeiter arbeiten lässt. Im Prozess der kapitalistischen Produktion geht das Anwachsen des Kapitals vor sich.

Wie jede andere Ware wird die Arbeitskraft zu einem bestimmten Preis ge- und verkauft; wie bei jeder anderen Ware liegt dem Preis der Arbeitskraft ihr Wert zugrunde, welcher seinerseits durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt wird. „Der Wert der Arbeitskraft, gleich dem jeder andren Ware, ist bestimmt durch die zur Produktion, also auch Reproduktion, dieses spezifischen Artikels notwendige Arbeitszeit.“[49] Woraus setzt sich nun der Wert der Ware Arbeitskraft zusammen?

Um sein Arbeitsvermögen zu erhalten, muss der Arbeiter seine Bedürfnisse an Nahrung, Kleidung, Schuhwerk und Wohnung befriedigen. Die Befriedigung seiner notwendigen Lebensbedürfnisse ist Ersetzen der verausgabten Lebensenergie des Arbeiters – Verausgabung von Muskel, Nerv und Hirn –, ist Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit. Ferner bedarf das Kapital des ständigen Zustroms von Arbeitskraft; infolgedessen muss der Arbeiter die Möglichkeit haben, nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie zu erhalten. Nur so ist die Reproduktion, d.h. die ständige Erneuerung der Arbeitskraft als Klasse gewährleistet. Schließlich benötigt das Kapital nicht nur ungelernte, sondern auch qualifizierte Arbeiter, die mit komplizierten Maschinen umgehen können, der Erwerb einer bestimmten Qualifikation aber ist mit bestimmten Aufwendungen an Arbeit für die Ausbildung verbunden. Daher schließen die Kosten der Produktion und der Reproduktion der Arbeitskraft auch einen bestimmten Mindestaufwand für die Ausbildung der heranwachsenden Generationen der Arbeiterklasse ein.

Aus all dem geht hervor, dass der Wert der Ware Arbeitskraft dem Wert der Existenzmittel entspricht, die zur Erhaltung des Arbeiters und seiner Familie notwendig sind. Im Verlauf der historischen Entwicklung der Gesellschaft verändern sich sowohl das Niveau der üblichen Bedürfnisse des Arbeiters als auch die Mittel zur Befriedigung dieser Bedürfnisse. In den verschiedenen Ländern ist das Niveau der üblichen Bedürfnisse des Arbeiters unterschiedlich. Die Besonderheiten des historischen Weges, den ein bestimmtes Land zurückgelegt hat, sowie der Bedingungen, unter denen sich die Klasse der Lohnarbeiter formierte, bestimmen in vielem den Charakter ihrer Bedürfnisse. Die klimatischen und sonstigen natürlichen Bedingungen beeinflussen ebenfalls die Bedürfnisse des Arbeiters an Nahrung, Kleidung und Wohnung. In den Wert der Arbeitskraft gehen nicht nur der Wert der Gebrauchsgüter ein, die zur Wiederherstellung der körperlichen Kräfte des Menschen notwendig sind, sondern auch die Ausgaben für die Befriedigung der kulturellen Bedürfnisse des Arbeiters und seiner Familie (Ausbildung der Kinder, Kauf von Zeitungen und Büchern, Besuch von Kino und Theater usw.). Die kapitalistische Produktionsweise zwingt die Kapitalisten stets und überall, die materiellen und kulturellen Lebensbedingungen der Arbeiterklasse auf ein möglichst niedriges Niveau hinabzudrücken, während die Arbeiter gezwungen sind, sich gegen diese Versuche zur Wehr setzen und einen beharrlichen Kampf um die Hebung ihres Lebensstandards zu führen.

4. Die kapitalistische Produktion als Einheit von Produktions- und Verwertungsprozess.

Um die kapitalistische Produktion einzuleiten, kauft der Kapitalist alles für die Produktion Erforderliche: Gebäude, Maschinen, Ausrüstungen, Rohstoffe und Brennstoffe. Dann stellt er Arbeiter ein, und der Produktionsprozess beginnt. Die von den Arbeitern hergestellte Ware wird vom Kapitalisten verkauft – sie ist sein Eigentum, da er Eigentümer der gesamten Produktionsbedingungen ist.

Der Wert der fertigen Ware schließt in sich ein: 1. den Wert der verbrauchten Produktionsmittel – d.h. den Wert der verarbeiteten Rohstoffe und den der verbrauchten Brennstoffe sowie einen Teil des Werts der Gebäude, Maschinen und Werkzeuge –; 2. den Neuwert, den die Arbeiter geschaffen haben.

Woraus besteht dieser Neuwert?

Nehmen wir an, dass die Stunde einfacher Durchschnittsarbeit einen Wert von 20 Euro[50] schafft und dass der Tageswert der Arbeitskraft 80 Euro beträgt. In diesem Fall muss der Arbeiter, um den Tageswert seiner Arbeitskraft zu ersetzen, 4 Stunden arbeiten. Jedoch hat der Kapitalist die Arbeitskraft für den ganzen Tag gekauft, und lässt daher den Arbeiter nicht nur 4 Stunden lang arbeiten, sondern den ganzen Arbeitstag über – der, sagen wir, 8 oder auch 10 Stunden währt. Im Verlaufe dieses Arbeitstages schafft der Arbeiter weiterhin einen Wert von 20 Euro pro Stunde, im Falle eines achtstündigen Arbeitstages also 160 Euro, während der Wert seiner Arbeitskraft nach wie vor 80 Euro beträgt.

Wir sehen jetzt, worin der spezifische Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft für den Käufer dieser Ware – den Kapitalisten – besteht. Mit dem Kauf der Arbeitskraft erlangt der Kapitalist das Gebrauchsrecht an den Fähigkeiten des Arbeiters. Der Kapitalist konsumiert die von ihm gekaufte Ware, indem er den Arbeiter in den Produktionsprozess stellt. Dieser Produktionsprozess ist zugleich Wertbildungsprozess und damit Verwertungsprozess der Ware Arbeitskraft. Der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft besteht also für den Kapitalisten nicht darin, ein bestimmtes Produkt herzustellen. Der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft besteht vielmehr darin, in der Produktion irgendwelcher Waren mehr Wert zu erzeugen, als sie selbst hat. Der Kapitalist kauft die Arbeitskraft nur aufgrund dieser ihrer Eigenschaft Quelle von Wert zu sein, und zwar von größerem Wert, als sie selbst besitzt.

5. Die Produktion von Mehrwert als ökonomisches Grundgesetz des Kapitalismus.

Der Wert der Arbeitskraft und der im Konsumtionsprozess der Arbeitskraft – im kapitalistischen Produktionsprozess – geschaffene Wert sind verschiedene Größen. Die kapitalistische Produktionsweise setzt voraus, dass der Arbeiter für die Schaffung des dem Wert seiner Arbeitskraft entsprechenden Wertes nur einen Teil des Arbeitstages benötigt. Auf dem Unterschied zwischen dem Wert der Arbeitskraft (z.B. 80 Euro) und der Wertschöpfung der Arbeitskraft (z.B. 160 Euro) basiert die kapitalistische Ausbeutung.

In unserem Beispiel erhält der Kapitalist, der 80 Euro für den Lohn des Arbeiters aufgewandt hat, einen Wert von 160 Euro, den der Arbeiter geschaffen hat. Der Kapitalist erhält das ursprünglich vorgeschossene Kapital mit einem Zuwachs oder Überschuss in Höhe von 80 Euro zurück. Dieser Zuwachs ist Mehrwert.

Mehrwert ist der Wert, den der Lohnarbeiter über den Wert seiner Arbeitskraft hinaus schafft und den sich der Kapitalist unentgeltlich aneignet. Somit ist der Mehrwert das Ergebnis unbezahlter Arbeit des Arbeiters.

Der Arbeitstag im kapitalistischen Betrieb zerfällt in zwei Teile, und zwar in die notwendige Arbeitszeit und die Mehrarbeitszeit. Die Arbeit des Lohnarbeiters unterteilt sich daher in notwendige Arbeit und Mehrarbeit. Im Verlauf der notwendigen Arbeitszeit reproduziert der Arbeiter den Wert seiner Arbeitskraft; im Verlauf der Mehrarbeitszeit schafft er den Mehrwert.

Die Arbeit des Arbeiters im kapitalistischen Produktionsprozess ist Konsumtion der Ware Arbeitskraft durch den Kapitalisten oder anders gesagt, ein Vorgang, in dem der Kapitalist Mehrwert aus dem Arbeiter herauspresst. Der Arbeitsprozess unter kapitalistischen Bedingungen wird durch folgende Besonderheiten gekennzeichnet: Der Arbeiter arbeitet unter der Kontrolle des Kapitalisten, dem für eine zeitlang seine Arbeitskraft gehört. Da dem Kapitalisten die Arbeit des Arbeiters gehört, gehört ihm auch das Produkt dieser Arbeit. Diese grundlegenden Charakteristika des kapitalistischen Produktionsprozesses nehmen der Arbeit ihren Sinn. Als Lohnarbeit verliert die Arbeit allen Reiz für die Arbeiter und wird damit eine schwere und widerwärtige Bürde.

Das unmittelbare Ziel der kapitalistischen Produktion ist die Produktion von Mehrwert. Demzufolge ist produktive Arbeit im Kapitalismus nur die Arbeit, die Mehrwert schafft. Wenn der Arbeiter jedoch keinen Mehrwert schafft, ist seine Arbeit unproduktive, vom Standpunkt des Kapitals nutzlose Arbeit.

Zum Unterschied von den früheren Formen der Ausbeutung – der Ausbeutung in der Sklavenhaltergesellschaft und im Feudalismus – trägt die kapitalistische Ausbeutung verdeckten Charakter. Wenn der Lohnarbeiter dem Kapitalisten seine Arbeitskraft verkauft, dann erscheint dies gewöhnlich als eines der üblichen Geschäfte zwischen Warenbesitzern, als Austausch von Ware gegen Geld, der sich in völliger Übereinstimmung mit dem Wertgesetz vollzieht. Jedoch ist das Geschäft des Kaufs und Verkaufs der Arbeitskraft nur die äußere Form, hinter der sich die Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten, die Aneignung unbezahlter Arbeit durch den Kapitalisten verbirgt.

Bei der Untersuchung des Wesens der kapitalistischen Ausbeutung setzen wir voraus, dass der Kapitalist, wenn er den Arbeiter einstellt, ihm den vollen Wert seiner Arbeitskraft bezahlt – d.h., dass sich alles in strenger Übereinstimmung mit dem Wertgesetz vollzieht. Im weiteren wird bei der Analyse des Arbeitslohns gezeigt werden, dass der Preis der Arbeitskraft zum Unterschied von den Preisen der übrigen Waren in der Regel nach unten von ihrem Wert abweicht. Dies ändert indessen nichts am Ausbeutungsverhältnis selbst; durch Bezahlung der Arbeitskraft unter ihrem Wert wird die Ausbeutung der Arbeiterklasse durch die Kapitalistenklasse lediglich gesteigert.

Der Kapitalismus gibt dem Lohnarbeiter nur dann die Möglichkeit zu arbeiten und folglich auch zu leben, wenn er Mehrwert erzeugt.[51] Wenn der Arbeiter den einen kapitalistischen Betrieb verlässt, kann er bestenfalls in einen anderen kapitalistischen Betrieb geraten, in dem er der gleichen Ausbeutung unterworfen ist. Marx hat das System der Lohnarbeit als System der Lohnsklaverei entlarvt; er wies nach, dass der römische Sklave mit Ketten gefesselt war, während der Lohnarbeiter mit ökonomischen Fäden an die Eigentümer der Produktionsmittel gebunden ist. Das ist die Klasse der Kapitalisten in ihrer Gesamtheit.

Der Mehrwert, den die unbezahlte Arbeit der Lohnarbeiter schafft, bildet die allgemeine Quelle der nicht durch Arbeit erworbenen Einkommen der gesamten Klasse der Bourgeoisie. Bei der Verteilung des Mehrwerts ergeben sich bestimmte Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen der Bourgeoisie: den Industriellen, den Kaufleuten und den Bankiers sowie zwischen der Klasse der Kapitalisten und der Klasse der Grundeigentümer.

„Das Kapital hat die Mehrarbeit nicht erfunden.“[52] Überall, wo die Gesellschaft aus Ausgebeuteten und Ausbeutern besteht, presst die herrschende Klasse aus den ausgebeuteten Klassen Mehrarbeit heraus. Aber zum Unterschied vom Sklavenhalter und Feudalherren, die bei Herrschaft der Naturalwirtschaft den überwiegenden Teil des Mehrprodukts der Sklaven und Leibeigenen für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse verwandten, verwandelt der Kapitalist das gesamte Mehrprodukt in Geld. Den überwiegenden Teil davon investiert er als zusätzliches Kapital in der Produktion, was ihm neuen Mehrwert einbringt. „Es ist der beständige Zweck der kapitalistischen Produktion“, sagt Marx, „mit dem Minimum von vorgeschossnem Kapital ein Maximum von Mehrwert oder Mehrprodukt zu erzeugen.“[53]

Das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus ist das Mehrwertgesetz. Den Kapitalismus charakterisierend, schrieb Marx: „Produktion von Mehrwert oder Plusmacherei ist das absolute Gesetz dieser Produktionsweise“.[54] Dieses Gesetz bestimmt das Wesen der kapitalistischen Produktion. Es besteht darin, den Kapitalisten die Schaffung einer möglichst großen Masse von Mehrwert durch Erweiterung der Produktion, Entwicklung der Technik und zunehmende Ausbeutung der Lohnarbeit zu sichern. Die Produktion von Mehrwert als ökonomisches Bewegungsgesetz des Kapitalismus bedingt das unvermeidliche Anwachsen seiner Widersprüche und schafft wesentliche Voraussetzungen für die Aufhebung seiner Errungenschaften in einer höheren, der kommunistischen Produktionsweise.

Lenin nannte die Lehre vom Mehrwert den Grundpfeiler der ökonomischen Theorie von Marx. Marx hat die Quelle der Ausbeutung der Arbeiterklasse, den Mehrwert, bloßgelegt und der Arbeiterklasse damit die geistige Waffe für den Sturz des Kapitalismus gegeben. Marx hat in seiner Lehre vom Mehrwert das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung aufgedeckt und damit der bürgerlichen politischen Ökonomie und ihren Vorspiegelungen von der Harmonie der Klasseninteressen im Kapitalismus den Todesstoß versetzt.

6. Das Kapital als gesellschaftliches Verhältnis der Produktion. Konstantes und variables Kapital.

Die bürgerlichen Ökonomen bezeichnen jedes Arbeitsinstrument bzw. Produktionsmittel, angefangen vom Stein und Stock, deren sich der Urmensch bediente, als Kapital. Eine solche Definition des Kapitals vertuscht das Wesen der Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten und stellt das Kapital als ewige und unveränderliche Existenzbedingung jeder menschlichen Gesellschaft hin.

Die rohsten Werkzeuge dienten den Menschen zwar als Arbeitsinstrumente, waren jedoch nicht Kapital. Auch die Werkzeuge und Rohstoffe des Handwerkers oder die Gerätschaften, das Saatgut und das Arbeitsvieh des Bauern, der eine auf persönlicher Arbeit beruhende Wirtschaft betreibt, sind nicht Kapital. Die Produktionsmittel werden erst auf einer bestimmten Stufe der historischen Entwicklung zu Kapital, nämlich wenn sie Privateigentum des Kapitalisten sind und somit zur Ausbeutung von Lohnarbeit dienen. Das Kapital ist keine Sache, sondern ein bestimmtes gesellschaftliches, historisches vergängliches Verhältnis zwischen den Menschen im Produktionsprozess.

Kapital ist Wert, der Mehrwert bringt. Nach einem Ausdruck von Marx ist Kapital „verstorbne Arbeit, die sich nur vampyrmäßig belebt durch Einsaugung lebendiger Arbeit, und um so mehr lebt, je mehr sie davon einsaugt“[55]. Im Kapital verkörpert sich das Produktionsverhältnis zwischen der Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse, welches darin besteht, dass die Kapitalisten als Eigentümer der Produktionsmittel und der Produktionsbedingungen die Lohnarbeiter ausbeuten, die für sie den Mehrwert schaffen. Dieses Produktionsverhältnis nimmt wie alle übrigen Produktionsverhältnisse der kapitalistischen Gesellschaft die Form eines Verhältnisses von Sachen an und erscheint als eine Eigenschaft eben dieser Sachen – der Produktionsmittel –, als die Eigenschaft, dem Kapitalisten Gewinn zu bringen. Darin besteht der Fetischcharakter des Kapitals: im Kapitalismus entsteht der Anschein, als besäße eine bestimmte Geldsumme, für die man Produktionsmittel kaufen kann oder diese Produktionsmittel selbst als solche die wunderbare Eigenschaft, ihrem Eigentümer ein regelmäßiges, nicht durch Arbeit erworbenes Einkommen zu sichern; es entsteht der Anschein als „arbeite“ das Geld für ihn.

Konstantes Kapital (c).

Einen bestimmten Teil des Kapitals verwendet der Kapitalist für die Einrichtung des Fabrikgebäudes, für den Erwerb von Ausrüstungen und Maschinen sowie für den Einkauf von Rohstoffen, Brennstoffen und Hilfsmaterial. Der Wert dieses Kapitalteils wird auf die neu hergestellte Ware übertragen, und zwar in dem Maße, wie die Produktionsmittel im Arbeitsprozess verbraucht werden oder verschleißen. Der in Form des Werts der Produktionsmittel befindliche Kapitalteil verändert im Produktionsprozess seine Größe nicht.

Variables Kapital (v).

Den anderen Teil des Kapitals verwendet der Kapitalist dazu, Arbeitskraft zu kaufen, Arbeiter einzustellen. An Stelle dieses Teils des aufgewandten Kapitals erhält der Kapitalist nach Beendigung des Produktionsprozesses einen Neuwert, den die Arbeiter seines Betriebes geschaffen haben. Dieser Neuwert ist, wie wir gesehen haben, größer als der Wert der Arbeitskraft, die der Kapitalist gekauft hat. Der als Lohn für die Arbeiter aufgewandte Kapitalteil verändert im Produktionsprozess seine Größe: er wächst dadurch an, dass die Arbeiter einen Mehrwert schaffen, den sich der Kapitalist aneignet. Die Unterscheidung des Kapitals in konstantes und variables Kapital wurde erstmals von Marx getroffen. Dadurch war es ihm möglich, die besondere Rolle des variablen Kapitals aufzudecken, das für den Kauf von Arbeitskraft verwandt wird. Die Ausbeutung der Lohnarbeiter durch die Kapitalisten ist die wirkliche und einzige Quelle des Mehrwerts.

Die Aufdeckung des Doppelcharakters der in der Ware verkörperten Arbeit ermöglichte es Marx, den Unterschied zwischen dem konstanten und dem variablen Kapital festzustellen und das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung aufzudecken. Marx wies nach, dass der Arbeiter durch seine Arbeit zur gleichen Zeit Neuwert schafft und den Wert der Produktionsmittel auf die in der Herstellung befindliche Ware überträgt. Als bestimmte konkrete Arbeit überträgt die Arbeit des Arbeiters den Wert der verbrauchten Produktionsmittel auf das Produkt; als abstrakte Arbeit, als Verausgabung von Arbeitskraft überhaupt, schafft seine Arbeit Neuwert. Diese beiden Seiten des Arbeitsprozesses unterscheiden sich ganz merklich. Zum Beispiel überträgt ein Spinner bei einer Verdoppelung der Arbeitsproduktivität in dem entsprechenden Produktionszweig im Verlaufe des Arbeitstages doppelt soviel Wert von Produktionsmitteln auf das Produkt (weil er die doppelte Menge Baumwolle verarbeitet); Neuwert jedoch schafft er ebensoviel wie vorher.

7. Die Rate des Mehrwerts.

Wie oben gesagt, verwandelt der Kapitalist, zum Unterschied von anderen Ausbeuterklassen, das gesamte Produkt der Mehrarbeit der Lohnarbeiter in Geld. Einen relativ geringen Teil dieses Geldes verwendet er für den Kauf von Gebrauchsgütern und Luxusgegenständen (Konsumtion), den weitaus größten Teil aber setzt er erneut als zusätzliches Kapital in Umlauf, das ihm neuen Mehrwert bringt (Akkumulation). Daher entwickelt das Kapital, wie Marx sagt, einen wahren Heißhunger nach Mehrarbeit. Der Grad der Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten findet seinen Ausdruck in der Rate des Mehrwerts.

Die Rate des Mehrwerts ist das in einem Prozentsatz ausgedrückte Verhältnis des Mehrwerts zum variablen Kapital m/v. Die Rate des Mehrwerts zeigt, in welcher Proportion sich die vom Arbeiter aufgewandte Arbeit in notwendige und Mehrarbeit teilt, mit anderen Worten, welchen Teil des Arbeitstags der Proletarier arbeitet, um den Wert seiner Arbeitskraft zu ersetzen, und welchen Teil des Arbeitstages er unentgeltlich für den Kapitalisten arbeitet. Marx bezeichnet den Mehrwert mit dem Buchstaben m, und die Rate des Mehrwert mit m'. In dem oben angeführten Beispiel beträgt die Mehrwertrate, in einem Prozentsatz ausgedrückt:

m = 80 Euro; v = 80 Euro
m’ = m/v = 80 Euro/80 Euro x 100 = 100%

Die Rate des Mehrwerts beträgt hier 100%. D.h., dass sich im gegebenen Beispiel die Arbeit des Arbeiters zu gleichen Teilen auf die notwendige und die Mehrarbeit verteilt. Mit der Entwicklung des Kapitalismus ist ein Anwachsen der Rate des Mehrwerts zu verzeichnen, das die Steigerung des Grades der Ausbeutung des Proletariats durch die Bourgeoisie zum Ausdruck bringt. Noch rascher wächst die Masse des Mehrwerts, wenn sich die Anzahl der vom Kapital ausgebeuteten Lohnarbeiter erhöht.

Lenin stellte in dem Artikel „Der Lohn der Arbeiter und der Profit der Kapitalisten in Russland“ (1912) die folgende Berechnung an, die den Grad der Ausbeutung des Proletariats im vorrevolutionären Russland zeigt. Den Ergebnissen der offiziellen Inspektion der Fabriken und Werke im Jahre 1908 zufolge, die ohne Zweifel zu hoch angesetzte Zahlen in bezug auf die Höhe der Arbeitslöhne und zu niedrig angesetzte Zahlen in bezug auf den Profit der Kapitalisten enthält, belief sich die Lohnsumme der Arbeiter auf 555,7 Millionen Rubel und die Profitsumme der Kapitalisten auf 568,7 Millionen Rubel. Alles in allem waren in den überprüften Betrieben der Großindustrie 2254000 Arbeiter beschäftigt. Somit betrug der Durchschnittslohn eines Arbeiters 248 Rubel im Jahre, wobei jeder Arbeiter dem Kapitalisten durchschnittlich 252 Rubel Profit im Jahre einbrachte. Somit arbeitete der Arbeiter im zaristischen Russland den kleineren Teil des Arbeitstages für sich und den größeren Teil des Arbeitstages für den Kapitalisten.

8. Die zwei Methoden zur Erhöhung des Ausbeutungsgrades. Absoluter und relativer Mehrwert.

Der Kapitalist ist bestrebt, auf jede Weise den Anteil der Mehrarbeit, die er aus dem Arbeiter herauspresst, zu erhöhen. Die Vergrößerung des Mehrwerts wird durch zwei Grundmethoden erreicht.

Wählen wir z.B. einen Arbeitstag von 8 Stunden, von denen 4 Stunden notwendige und 4 Stunden Mehrarbeit sind. Die erste Methode zur Erhöhung des Ausbeutungsgrades des Arbeiters besteht darin, dass der Kapitalist den ihm zufließenden Mehrwert durch Verlängerung des gesamten Arbeitstages um z.B. 2 Stunden vergrößert. Der Arbeitstag beträgt nun 10 Stunden, davon 4 Stunden notwendige Arbeit und nun 6 Stunden Mehrarbeit.

Die Mehrarbeitszeit ist durch absolute Verlängerung des Arbeitstages überhaupt gewachsen, wobei die notwendige Arbeitszeit unverändert geblieben ist. Der durch Verlängerung des Arbeitstages geschaffene Mehrwert heißt absoluter Mehrwert.

Die zweite Methode zur Erhöhung des Ausbeutungsgrades besteht darin, dass bei unveränderter Gesamtdauer des Arbeitstages der Mehrwert, der dem Kapitalisten zufließt, durch Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit anwächst. Das Anwachsen der Arbeitsproduktivität in den Zweigen, die Gebrauchsgüter für die Arbeiter herstellen, sowie in den Zweigen, die Werkzeuge und Material für die Produktion dieser Gebrauchsgüter liefern, zieht eine Verkürzung der zu ihrer Herstellung benötigten Arbeitszeit nach sich. Infolgedessen verringert sich der Wert der Existenzmittel der Arbeiter und in Übereinstimmung damit auch der Wert der Arbeitskraft. Wenn früher für die Produktion der Existenzmittel der Arbeiter 4 Stunden aufgewandt wurden, werden jetzt, wie wir annehmen wollen, nur noch 2 Stunden dafür benötigt. Der Arbeitstag beträgt weiter 8 Stunden, von denen 2 Stunden notwendige Arbeitszeit sind, und nun aber 6 Stunden Mehrarbeitszeit.

Die Länge des Arbeitstages ist unverändert geblieben, jedoch ist die Mehrarbeitszeit dadurch angewachsen, dass sich das Verhältnis zwischen der notwendigen und der Mehrarbeitszeit verändert hat. Der durch Verringerung der notwendigen Arbeitszeit und entsprechende Erhöhung der Mehrarbeitszeit entstehende Mehrwert heißt relativer Mehrwert.

Die beiden Methoden zur Vergrößerung des Mehrwerts sind auf den verschiedenen Stufen der historischen Entwicklung des Kapitalismus von unterschiedlicher Bedeutung. In der Manufakturperiode, als die Technik wenig entwickelt war und relativ langsam voranschritt, stand die Vergrößerung des absoluten Mehrwerts im Vordergrund. Mit der Weiterentwicklung des Kapitalismus, in der Maschinenperiode, da die hochentwickelte Technik die Möglichkeit bietet, die Arbeitsproduktivität rasch zu steigern, erzielen die Kapitalisten eine gewaltige Steigerung des Ausbeutungsgrads der Arbeiter vor allem durch Vergrößerung des relativen Mehrwerts. Gleichzeitig sind sie nach wie vor in jeder Weise bestrebt, den Arbeitstag zu verlängern, besonders aber die Arbeitsintensität zu steigern.

Die Intensivierung der Arbeit ist für den Kapitalisten von derselben Bedeutung wie die Verlängerung des Arbeitstages: eine Verlängerung des Arbeitstages von 10 auf 11 Stunden oder eine Steigerung der Arbeitsintensität um ein Zehntel erbringen dieselbe Masse an Mehrwert, d.h. dem Kapitalisten das gleiche Resultat.

9. Der Arbeitstag und seine Schranken. Der Kampf um die Verkürzung des Arbeitstages.

In ihrem Streben nach Erhöhung der Rate des Mehrwerts suchen die Kapitalisten den Arbeitstag bis zur äußersten Grenze auszudehnen. Wenn es möglich wäre, würde der Kapitalist seine Arbeiter zwingen, volle 24 Stunden zu arbeiten; jedoch benötigt der Mensch eine bestimmte Zeit, während der er seine Kräfte wiederherstellen, sich erholen, schlafen und essen muss. Darin besteht die rein physische Schranke des Arbeitstages. Daneben hat der Arbeitstag aber auch eine moralische Schranke, weil der Arbeiter Zeit für die Befriedigung seiner sozialen und kulturellen Bedürfnisse benötigt.

Das Kapital will und kann in seinem Heißhunger nach Mehrarbeit weder mit der moralischen noch mit der rein physischen Schranke des Arbeitstages rechnen. Das Kapital ist rücksichtslos gegen Gesundheit und Leben des Arbeiters. Die räuberische Ausbeutung der Arbeitskraft verringert die Lebensdauer des Proletariers und führt zu einer außerordentlich hohen Sterblichkeit unter der Arbeiterbevölkerung.

In der Entstehungsperiode des Kapitalismus erließ die Staatsmacht im Interesse der Bourgeoisie besondere Gesetze, um die Lohnarbeiter zu zwingen, möglichst lange zu arbeiten. Damals befand sich die Technik auf einem niedrigen Niveau, die Massen der Bauern und Handwerker waren in der Lage, selbständig zu arbeiten; infolgedessen hatte das Kapital keinen Überfluss an Arbeitern. Die Lage änderte sich mit der Verbreitung der maschinellen Produktion und der zunehmenden Proletarisierung der Bevölkerung. Dem Kapital standen nunmehr genügend Arbeiter zur Verfügung, die, um nicht Hungers zu sterben, gezwungen waren, sich bei den Kapitalisten in Knechtschaft zu begeben. Staatliche Gesetze zur Verlängerung des Arbeitstages waren nicht mehr nötig. Das Kapital hatte die Möglichkeit erhalten, die Arbeitszeit durch ökonomischen Zwang bis zur äußersten Grenze auszudehnen. Unter diesen Bedingungen begann die Arbeiterklasse einen hartnäckigen Kampf für die Verkürzung des Arbeitstages zu führen. Dieser Kampf entfaltete sich zuallererst in England.

Durch anhaltenden Kampf erreichten die englischen Arbeiter im Jahre 1833 den Erlass eines Fabrikgesetzes, durch das die Arbeit von Kindern bis zu 13 Jahren auf 8 Stunden und die Arbeit von Jugendlichen im Alter von 13 bis 18 Jahren auf 12 Stunden begrenzt wurde. Im Jahre 1844 wurde das erste Gesetz zur Begrenzung der Frauenarbeit auf 12 Stunden erlassen. In der Mehrzahl der Fälle wurden Kinder und Frauen gemeinsam mit Männern beschäftigt. Daher erstreckte sich in den Betrieben, die von der Fabrikgesetzgebung betroffen waren, der 12stündige Arbeitstag mit der Zeit auf alle Arbeiter. Durch ein Gesetz aus dem Jahre 1847 wurde für Jugendliche und Frauen der 10stündige Arbeitstag festgesetzt. Diese Begrenzungen des Arbeitstages betrafen jedoch bei weitem nicht sämtliche Zweige, in denen Lohnarbeit angewandt wurde. Durch ein Gesetz aus dem Jahre 1901 wurde für die erwachsenen Arbeiter der 12stündige Arbeitstag festgesetzt.

In dem Maße, wie der Widerstand der Arbeiter wuchs, wurden auch in den übrigen kapitalistischen Ländern Gesetze über die Begrenzung des Arbeitstages erlassen. Nach dem Erlass eines jeden solchen Gesetzes mussten die Arbeiter einen hartnäckigen Kampf für seine Durchsetzung führen.

Besonders hartnäckig wurde der Kampf um die gesetzliche Begrenzung des Arbeitstages, nachdem die Arbeiterklasse als Kampflosung die Forderung nach dem Achtstundentag erhoben hatte. Diese Forderung wurde im Jahre 1866 durch den Arbeiterkongress in Amerika und den Kongress der I. Internationale auf Vorschlag von Marx verkündet. Der Kampf um den Achtstundentag wurde ein unabdingbarer Bestandteil nicht nur des ökonomischen, sondern auch des politischen Kampfes des Proletariats.

Im zaristischen Russland wurden die ersten Fabrikgesetze Ende des 19. Jahrhunderts erlassen. Nach Streiks des Petersburger Proletariats wurde der Arbeitstag durch ein Gesetz aus dem Jahre 1897 auf 11½ Stunden herabgesetzt. Dieses Gesetz war, nach Lenin, ein Zugeständnis, das die russischen Arbeiter der zaristischen Regierung abgerungen hatten.

Am Vorabend des ersten Weltkriegs überwog in den meisten entwickelten kapitalistischen Ländern der 10- bis 12stündige Arbeitstag. Im Jahre 1919 schlossen in Washington die Vertreter einer Reihe kapitalistischer Länder aus Furcht vor der anwachsenden revolutionären Bewegung ein Übereinkommen über die Einführung des Achtstundentages in internationalem Maßstab; späterhin aber weigerten sich sämtliche großen kapitalistischen Staaten, dieses Übereinkommen zu bestätigen. In den kapitalistischen Ländern besteht neben der alle Kräfte auszehrenden Arbeitsintensität ein lang andauernder Arbeitstag, und zwar besonders in der Rüstungsindustrie. In Japan wurde am Vorabend des zweiten Weltkrieges für Arbeiter über 16 Jahre der 12stündige Arbeitstag gesetzlich festgelegt: faktisch aber betrug der Arbeitstag in einer Reihe von Produktionszweigen 15 bis 16 Stunden. Über alle Maßen lang ist der Arbeitstag für das Proletariat in den Kolonien und den abhängigen Ländern.

Nach dem zweiten Weltkrieg, aufgrund des Erstarkens des sozialistischen Weltsystems, wurde in den entwickelten kapitalistischen Staaten der Achtstundentag durchgesetzt. Heute, nach der Niederlage des Sozialismus in der Sowjetunion und in Europa steht für das Kapital die Rücknahme des Achtstundentages und die Verlängerung der Arbeitszeit weltweit auf der Tagesordnung.

10. Der Extramehrwert.

Eine besondere Form des relativen Mehrwerts ist der Extramehrwert. Er entsteht dann, wenn einzelne Kapitalisten in ihren Betrieben vollkommenere Maschinen und Produktionsmethoden einführen, als sie zum gegebenen Zeitpunkt in der Mehrzahl der Betriebe desselben Produktionszweiges angewandt werden. Auf diese Weise erzielt der einzelne Kapitalist in seinem Betrieb eine Arbeitsproduktivität, die über dem in dem gegebenen Produktionszweig bestehenden Durchschnitt, unter der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit liegt. Infolgedessen ist der individuelle Wert der Ware, die im Betrieb des betreffenden Kapitalisten hergestellt wird, niedriger als der gesellschaftliche Wert dieser Ware. Da jedoch der Preis der Ware durch ihren gesellschaftlichen Wert bestimmt wird, erzielt der Kapitalist eine Rate des Mehrwerts, die über der üblichen Rate liegt.

Z.B, ein Arbeiter einer Tabakfabrik stellt stündlich 1000 Zigaretten her und arbeitet täglich 12 Stunden, wobei er im Verlauf von 6 Stunden einen Wert schafft, der dem Wert seiner Arbeitskraft entspricht. Wenn nun eine Maschine eingeführt wird, die die Arbeitsproduktivität verdoppelt, dann stellt der Arbeiter in nach wie vor 12stündiger Arbeitszeit nicht 12000, sondern 24 000 Zigaretten her. Den Arbeitslohn des Arbeiters ersetzt der Teil des neugeschaffenen Werts (Gesamtwert abzüglich des Werts des übertragenen Teils des konstanten Kapitals), der sich in 6000 Zigaretten verkörpert, d.h. in dem Produkt von 3 Stunden. Der Kapitalist eignet sich den restlichen Teil des neugeschaffenen Werts an (Gesamtwert abzüglich des Werts des übertragenen Teils des konstanten Kapitals), der sich in 18000 Zigaretten verkörpert, d.h. in dem Produkt von 9 Stunden. Somit verkürzt sich die notwendige Arbeitszeit und erhöht sich entsprechend die Mehrarbeitszeit. Der Arbeiter ersetzt den Wert seiner Arbeitskraft nicht mehr wie bisher in 6 Stunden, sondern in 3 Stunden; seine Mehrarbeit erhöhte sich von 6 Stunden auf 9 Stunden. Die Mehrwertrate verdreifachte sich.

Der Extramehrwert bildet den Überschuss des Mehrwerts über die übliche Rate, der den einzelnen Kapitalisten zufließt, die mit Hilfe vollkommenerer Maschinen oder Produktionsmethoden in ihren Betrieben eine höhere Arbeitsproduktivität im Vergleich zur Arbeitsproduktivität in den meisten Betrieben desselben Produktionszweiges erzielen.

Die Erzielung von Extramehrwert ist nur eine zeitweilige Erscheinung. Früher oder später führt die Mehrzahl der Unternehmer des entsprechenden Produktionszweiges in ihren Betrieben neue Maschinen ein, und derjenige, der nicht über das nötige Kapital verfügt, bleibt im Konkurrenzkampf auf der Strecke. Infolgedessen verringert sich die für die Herstellung der betreffenden Ware gesellschaftlich notwendige Zeit, sinkt der Wert dieser Ware und erhält der Kapitalist, der als erster technische Vervollkommnungen ausgenutzt hatte, keinen Extramehrwert mehr. Wird jedoch in dem einen Betrieb kein Extramehrwert mehr erzielt, so doch bald wieder in einem anderen, in dem neue, noch vollkommenere Maschinen eingeführt werden.

Jeder Kapitalist ist nur darum bemüht, sich selbst zu bereichern. In der Tendenz aber führen die isolierten Handlungen der einzelnen Kapitalisten zur Entwicklung der Technik, zur Entfaltung der Produktivkräfte der kapitalistischen Gesellschaft. Zu gleicher Zeit jedoch veranlasst die Jagd nach Mehrwert den einzelnen Kapitalisten, seine technischen Errungenschaften vor den Konkurrenten geheimzuhalten, was zur Entstehung des Geschäftsgeheimnisses und zur Geheimhaltung technischer Neuentwicklungen führt. Daraus ergibt sich, dass der Kapitalismus der Entwicklung der Produktivkräfte bestimmte Grenzen setzt.

Die Entwicklung der Produktivkräfte im Kapitalismus vollzieht sich also in widerspruchsvoller Form. Die Kapitalisten wenden neue Maschinen nur dann an, wenn dies zur Vergrößerung des Mehrwerts führt. Die Einführung neuer Maschinen bildet die Grundlage für die mit allen Mitteln betriebene Erhöhung des Grades der Ausbeutung des Proletariats (durch Verlängerung des Arbeitstages und Erhöhung der Arbeitsintensität); der technische Fortschritt vollzieht sich um den Preis unzähliger Opfer und Entbehrungen vieler Generationen der Arbeiterklasse. Der Kapitalismus geht mit der Hauptproduktivkraft der Gesellschaft – mit der Arbeiterklasse, mit den werktätigen Massen – auf das Rücksichtsloseste um.

11. Die Klassenstruktur der kapitalistischen Gesellschaft. Der bürgerliche Staat.

Für die vorkapitalistischen Produktionsweisen war die Spaltung der Gesellschaft in verschiedene Klassen und Stände charakteristisch, eine Spaltung, die zur Entstehung einer komplizierten hierarchischen Struktur der Gesellschaft führte. Die bürgerliche Epoche hat die Klassenwidersprüche vereinfacht und die vielfältigen Formen vererbter Privilegien und persönlicher Abhängigkeit durch die unpersönliche Macht des Geldes, durch den uneingeschränkten Despotismus des Kapitals ersetzt. „Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.“.[56]

Die Bourgeoisie ist die Klasse, die die Produktionsmittel besitzt und sie zur Ausbeutung der Lohnarbeiter verwendet. Das Proletariat ist die Klasse der Lohnarbeiter, die der Produktionsmittel beraubt sind und infolgedessen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Auf der Grundlage der maschinellen Produktion hat sich das Kapital die Lohnarbeit voll und ganz unterworfen. Für die Klasse der Lohnarbeiter ist das Proletarierdasein zum Lebensschicksal geworden. Aufgrund seiner ökonomischen Lage ist das Proletariat die revolutionärste Klasse.

Die Bourgeoisie und das Proletariat sind die Hauptklassen der kapitalistischen Gesellschaft. Solange die kapitalistische Produktionsweise besteht, sind diese beiden Klassen untrennbar miteinander verbunden: die Bourgeoisie kann nicht existieren und Reichtum erwerben, ohne die Lohnarbeiter auszubeuten; das Proletariat kann nicht leben, ohne sich den Kapitalisten zu verdingen. Gleichzeitig sind die Bourgeoisie und das Proletariat antagonistische Klassen, deren Interessen im Gegensatz zueinander stehen und unversöhnlich sind. Die herrschende Klasse der kapitalistischen Gesellschaft ist die Bourgeoisie. Die Entwicklung des Kapitalismus bewirkt die Vertiefung der Kluft zwischen der ausbeutenden Minderheit und den ausgebeuteten Massen. Die gesellschaftlich Entwicklung ist im Kapitalismus durch den Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie bestimmt.

Einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung machen in allen bürgerlichen Ländern die Kleinunternehmer sowie die Bauern aus, eine Klasse der Kleinproduzenten, die eine eigene Wirtschaft besitzen und diese auf der Grundlage des Privateigentums an den Produktionsmitteln mit rückständiger Arbeitsorganisation in Betrieb halten. Die Hauptmasse der Kleineigentümer wird schonungslos vom Großkapital, von Immobilienspekulanten, Handelsketten, Banken und Versicherungen ausgebeutet und geht dem Ruin entgegen. Im Prozess der Zersetzung der Schicht des Kleinbürgertums gehen aus dieser auf der einen Seite unaufhörlich Massen von Proletariern hervor und auf der anderen Seite einige Kapitalisten.

Der kapitalistische Staat, der im Gefolge der bürgerlichen Revolution den Staat der feudalen Leibeigenschaft ablöste, ist seinem Klassenwesen nach in den Händen der Kapitalisten ein Mittel zur Niederhaltung und Unterdrückung der Arbeiterklasse und der Bauernschaft (des Kleinbürgertums). Der bürgerliche Staat schützt das kapitalistische Privateigentum an den Produktionsmitteln, sichert die Ausbeutung der Werktätigen und unterdrückt ihren Kampf gegen die kapitalistische Ordnung.

Da die Interessen der Kapitalistenklasse sich in schroffem Gegensatz zu den Interessen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung befinden, ist die Bourgeoisie genötigt, auf jede nur erdenkliche Weise den Klassencharakter ihres Staates zu verschleiern. Die Bourgeoisie sucht diesen Staat als einen über den Klassen stehenden Staat, einen Volksstaat, einen Staat der „reinen Demokratie“ hinzustellen. In Wirklichkeit aber ist die bürgerliche „Freiheit“ die Freiheit des Kapitals, fremde Arbeit auszubeuten; die bürgerliche „Gleichheit“ ist ein Betrug, hinter dem sich die tatsächliche Ungleichheit zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, zwischen Satten und Hungrigen, zwischen den Eigentümern der Produktionsmittel und der Masse der Proletarier, die nur ihre Arbeitskraft besitzen, verbirgt.

Der bürgerliche Staat unterdrückt die Volksmassen mit Hilfe von Verwaltungsapparat, Polizei, Armee, Gerichten, Gefängnissen, Konzentrationslagern und anderen Zwangsmitteln. Die notwendige Ergänzung dieser Zwangsmittel sind die Mittel der ideologischen Einwirkung, mit deren Hilfe die Bourgeoisie ihre Herrschaft aufrechterhält. Dazu gehören solche Mittel wie die bürgerliche Medien (Presse, Radio, Fernsehen, Kino), die bürgerliche Wissenschaft und Kunst sowie die Religion.

Der bürgerliche Staat ist der Vollzugsausschuss der Kapitalistenklasse. Die bürgerlichen Verfassungen haben den Zweck, die den besitzenden Klassen genehmen und für sie vorteilhaften gesellschaftlichen Zustände zu festigen. Die Grundlage der kapitalistischen Ordnung – das Privateigentum an den Produktionsmitteln – erklärt der bürgerliche Staat für heilig und unantastbar.

Die Formen der bürgerlichen Staaten sind überaus vielfältig, ihr Wesen jedoch ist ein und dasselbe: alle diese Staaten stellen die Diktatur der Bourgeoisie dar, die mit allen Mitteln versucht, die Ordnung der Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital zu erhalten und zu festigen.

Entsprechend dem Wachstum der kapitalistischen Großproduktion wächst die Masse des Proletariats, das sich immer mehr seiner Klasseninteressen bewusst wird, sich politisch entwickelt und zum Kampf gegen die Bourgeoisie organisiert.

Das Proletariat ist die werktätige Klasse, die mit der fortschrittlichen Wirtschaftsform – der Großproduktion – verbunden ist. „Nur das Proletariat ist – kraft seiner ökonomischen Rolle in der Großproduktion – fähig, der Führer aller werktätigen und ausgebeuteten Massen zu sein.“[57] Das industrielle Proletariat als die revolutionärste, die fortschrittlichste Klasse der kapitalistischen Gesellschaft ist dazu befähigt, die werktätigen Massen der Bauernschaft und sämtliche ausgebeuteten Schichten der Bevölkerung um sich zu scharen und zum Sturmangriff gegen den Kapitalismus zu führen.

12. Kurze Zusammenfassung

1. In der kapitalistischen Ordnung ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln, das zur Ausbeutung der Lohnarbeiter dient. Der Kapitalismus ist die höchste Entwicklungsstufe der Warenproduktion, auf der auch die Arbeitskraft zu Ware wird. Als Ware besitzt die Arbeitskraft im Kapitalismus Wert und Gebrauchswert. Der Wert der Ware Arbeitskraft wird durch den Wert der Existenzmittel bestimmt, deren es zur Erhaltung des Arbeiters und seiner Familie bedarf. Den Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft bildet ihre Eigenschaft, Quelle von Wert und Mehrwert zu sein.

2. Der Mehrwert ist der Wert, den die Arbeit des Arbeiters über den Wert seiner Arbeitskraft hinaus schafft und der unentgeltlich vom Kapitalisten angeeignet wird. Das Mehrwertgesetz ist das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus.

3. Kapital ist Wert, der – auf dem Wege der Ausbeutung der Lohnarbeiter – Mehrwert bringt. Das Kapital verkörpert das gesellschaftliche Verhältnis zwischen der Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse. Im Produktionsprozess des Mehrwerts spielen die verschiedenen Teile des Kapitals eine unterschiedliche Rolle. Konstantes Kapital ist der Kapitalteil, der in Produktionsmittel umgesetzt wird; dieser Kapitalteil schafft keinen Neuwert, verändert seine Größe nicht. Variables Kapital ist der Kapitalteil, der für den Kauf von Arbeitskraft aufgewandt wird; dieser Kapitalteil wächst im Verwertungsprozess der Arbeitskraft, d.h. während der Aneignung des durch die Arbeit geschaffenen Mehrwerts durch den Kapitalisten.

4. Die Rate des Mehrwerts ist das Verhältnis des Mehrwerts zum variablen Kapital. Sie drückt den Grad der Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten aus. Die Kapitalisten erhöhen die Rate des Mehrwerts durch zwei Methoden – durch Produktion des absoluten Mehrwerts und durch Produktion des relativen Mehrwerts. Absoluter Mehrwert ist durch Verlängerung des Arbeitstages oder Steigerung der Arbeitsintensität geschaffener Mehrwert. Relativer Mehrwert ist durch Verringerung der notwendigen Arbeitszeit und entsprechende Ausdehnung der Mehrarbeitszeit geschaffener Mehrwert.

5. Die Klasseninteressen der Bourgeoisie und des Proletariats sind unversöhnlich. Der Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat bildet den grundlegenden Klassengegensatz der kapitalistischen Gesellschaft. Das Organ zum Schutze der kapitalistischen Ordnung und zur Unterdrückung der werktätigen und ausgebeuteten Mehrheit der Gesellschaft ist der bürgerliche Staat, der, in welcher politischen Form auch immer, die Diktatur der Bourgeoisie darstellt.