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Grundzüge der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus

1. Die proletarische Revolution und die Notwendigkeit der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus.
2. Die Diktatur des Proletariats als Instrument zur Errichtung der sozialistischen Wirtschaft.
3. Die sozialistische Nationalisierung.
4. Die Wirtschaftsformen und die Klassen in der Übergangsperiode. Das Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft.
5. Die Entstehung der ökonomischen Gesetze des Sozialismus.
6. Die Grundlagen der Wirtschaftspolitik in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus.
7. Kurze Zusammenfassung

1. Die proletarische Revolution und die Notwendigkeit der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus.

Der gesamte Entwicklungsgang der kapitalistischen Produktionsweise und des Klassenkampfes in der bürgerlichen Gesellschaft führt unvermeidlich, oder wie Marx sagt, „mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses“[126] zur revolutionären Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus. Wie dargelegt, erreicht im Stadium des Imperialismus der Konflikt zwischen den gewachsenen Produktivkräften und den zu Fesseln dieser Produktivkräfte gewordenen kapitalistischen Produktionsverhältnissen die höchste Stufe. Das Gesetz der unbedingten Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte verlangt die Beseitigung der alten, bürgerlichen Produktionsverhältnisse und die Schaffung neuer, sozialistischer Produktionsverhältnisse. Hierin ist die objektive Notwendigkeit der proletarischen, sozialistischen Revolution begründet.

Angesichts des Gegensatzes zwischen den Grundlagen der kapitalistischen und denen der sozialistischen Gesellschaft, des Antagonismus der Interessen von Arbeit und Kapital, ist ein friedliches „Hineinwachsen“ des Kapitalismus in den Sozialismus, wie es die Opportunisten predigen, unmöglich. Der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus kann nur auf dem Weg der proletarischen Revolution und mittels Diktatur des Proletariats verwirklicht werden. Das Proletariat ist infolge seiner ökonomischen Lage die einzige Klasse, die fähig ist, die Mehrheit der Werktätigen für den Sturz des Kapitalismus und den Sieg des Sozialismus um sich zu vereinigen.

Die proletarische Revolution unterscheidet sich grundsätzlich von allen ihr vorangegangenen Revolutionen. Beim Übergang von der Sklavenhaltergesellschaft zur Feudalgesellschaft und von der feudalen zur kapitalistischen Gesellschaft wurde die eine Form des Privateigentums durch eine andere ersetzt und damit die eine durch eine andere Ausbeutermacht abgelöst. Da alle auf Ausbeutung beruhenden Gesellschaftsformationen eine gleichartige Grundlage haben – das Privateigentum an den Produktionsmitteln –, reifte die neue sozialökonomische Formation allmählich im Schoß der alten Produktionsweise heran. So beginnt die bürgerliche Revolution gewöhnlich bei Vorhandensein mehr oder weniger fertiger Formen der kapitalistischen Ordnung, die bereits im Schoße des Feudalismus herangewachsen und ausgereift sind. Die Hauptaufgabe der bürgerlichen Revolution besteht darin, dass die Bourgeoisie die Macht ergreift, um sie mit der vorhandenen kapitalistischen Wirtschaft in Übereinstimmung zu bringen. Die bürgerliche Revolution wird gewöhnlich mit der Machtergreifung abgeschlossen.

Ziel der proletarischen Revolution ist das Ersetzen des Privateigentums an den Produktionsmitteln durch das gesellschaftliche Eigentum und die Beseitigung jeglicher Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Sie findet keinerlei fertige Formen der sozialistischen Wirtschaft vor. Die sozialistische Formation, die sich auf das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln gründet, kann nicht im Schoße der auf dem Privateigentum beruhenden bürgerlichen Gesellschaft heranwachsen. Die Aufgabe der proletarischen Revolution besteht darin, die Macht des Proletariats zu errichten und eine neue, die sozialistische Wirtschaft aufzubauen. Die Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse ist nur der Beginn der proletarischen Revolution, wobei die Macht als Hebel für die Umwandlung der alten Wirtschaft und für die Organisierung der neuen ausgenutzt wird.

In Anbetracht dessen erfordert die Ablösung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung durch die kommunistische in jedem Land eine besondere Übergangsperiode, die eine ganze historische Epoche umfasst. „Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“[127]

Die erste Etappe dieser Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus beinhaltet das Errichten der sozialistischen Produktionsverhältnisse, was im folgenden behandelt wird: Diese Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus beginnt mit der Errichtung der proletarischen Macht und endet mit dem Aufbau des Sozialismus – der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft. Im Verlauf der Übergangsperiode wird die alte, kapitalistische Basis beseitigt und eine neue, die sozialistische Basis geschaffen, es wird die für den Sieg des Sozialismus erforderliche Entwicklung der Produktivkräfte gesichert. In der Übergangsperiode muss das Proletariat sich als die Kraft stählen, die fähig ist, das Land zu verwalten, die sozialistische Gesellschaft aufzubauen und die kleinbürgerlichen Massen im Geiste des Sozialismus umzuerziehen.

Die proletarische Revolution siegte zunächst in Russland, wo die Entwicklung des Kapitalismus genügend weit für den Sieg der proletarischen Revolution gediehen war. Zugleich bildete Russland den Knotenpunkt aller Widersprüche des Imperialismus, wodurch der Prozess der Revolutionierung des Proletariats und des Zusammenschlusses der bäuerlichen Massen um das Proletariat erheblich verstärkt wurde. Im Oktober 1917 stürzte das Proletariat Russlands unter Führung der Kommunistischen Partei, ausgerüstet mit der Leninschen Theorie der sozialistischen Revolution, und im Bündnis mit der armen Bauernschaft die Macht der Kapitalisten und Gutsbesitzer und errichtete seine Diktatur. Die Große Sozialistische Oktoberrevolution bahnte erstmals in der Geschichte der Menschheit den Weg zum Sozialismus und erbrachte das Beispiel, wie sich die proletarische Revolution in jedem Lande in den Grundzügen entwickeln muss. Zugleich aber weist die sozialistische Revolution in jedem einzelnen, vom System des Imperialismus abgefallenen Land unweigerlich Besonderheiten auf, die sich aus den konkreten historischen Entwicklungsbedingungen des betreffenden Landes und aus dem internationalen Kräfteverhältnis im Klassenkampf ergeben.

Lenin entdeckte und bewies, dass sich die in gesellschaftlich-ökonomischer Hinsicht zurückgebliebenen Länder unter bestimmten historischen Bedingungen auf nichtkapitalistischem Wege zu entwickeln vermögen. Diese Länder können, wenn sie das Joch des Imperialismus abgeworfen haben, mit Hilfe der fortgeschrittenen Länder, in denen die proletarische Revolution bereits gesiegt hat, den langwierigen und qualvollen Prozess der kapitalistischen Entwicklung vermeiden und allmählich zum Aufbau des Sozialismus übergehen, ohne das Stadium des Kapitalismus durchlaufen zu haben.

2. Die Diktatur des Proletariats als Instrument zur Errichtung der sozialistischen Wirtschaft.

Da die Aufgabe der proletarischen Revolution die Beseitigung jeglicher Ausbeutung ist, muss die zur Unterdrückung der werktätigen Massen dienende alte Staatsmaschine zerschlagen werden. Die proletarische Revolution bringt einen Staat von neuem Typus hervor – die Diktatur des Proletariats. Ohne diese als politischer Überbau sind die ökonomische Befreiung der Werktätigen und der Übergang von der kapitalistischen zur sozialistischen Produktionsweise unmöglich.

Die Diktatur des Proletariats ist die staatliche Führung der Gesellschaft durch die Arbeiterklasse. In allen seinen vorherigen Formen unterdrückte der Staat die ausgebeutete Mehrheit im Interesse der ausbeutenden Minderheit. Die Diktatur des Proletariats unterdrückt die ausbeutende Minderheit im Interesse der werktätigen Mehrheit. Dies schließt die Unterdrückung aller konterrevolutionären Bestrebungen von innen und von außen ein.

Die Diktatur des Proletariats ist wahre Demokratie; sie bringt die ureigensten Interessen der Werktätigen zum Ausdruck. Unter der Diktatur des Proletariats werden die Werktätigen zum erstenmal in der Geschichte Herren ihres Landes. Wenn die bürgerliche Revolution, die eine neue, die kapitalistische Form der Ausbeutung sichert, die werktätigen und ausgebeuteten Massen nicht für eine einigermaßen lange Periode um die Bourgeoisie zusammenschließen kann, so kann und muss die proletarische Revolution, die jegliche Ausbeutung beseitigt, diese Massen mit dem Proletariat zu einem dauerhaften Bündnis vereinigen. Das oberste Prinzip der Diktatur des Proletariats ist das gegen die Ausbeuterklassen gerichtete Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft und ggf. anderer werktätiger Mittelschichten (abhängig von den besonderen nationalen Bedingungen und der Klassenstruktur) unter Führung der Arbeiterklasse. Ohne dieses Bündnis ist die Festigung der Macht des Proletariats und der Aufbau der sozialistischen Wirtschaft unmöglich.

Die Diktatur des Proletariats ist die Fortsetzung des Klassenkampfes des Proletariats unter neuen Bedingungen und in neuen Formen gegen die Ausbeuter im Innern des Landes, gegen reaktionäre und konterrevolutionäre Bestrebungen und gegen die aggressiven Kräfte der kapitalistischen Umwelt. „Die Diktatur des Proletariats ist ein zäher Kampf, ein blutiger und unblutiger, gewaltsamer und friedlicher, militärischer und wirtschaftlicher, pädagogischer und administrativer Kampf gegen die Mächte und Traditionen der alten Gesellschaft.“[128]

Entsprechend den Aufgaben des Aufbaus des Sozialismus weist die Diktatur des Proletariats drei grundlegende Seiten auf. Sie ist Ausnutzung der Macht durch das Proletariat, und zwar

1. zur Unterdrückung der Ausbeuter, zur Verteidigung des Landes und der neuen Ordnung sowie zur Festigung der Verbindungen mit den Proletariern der anderen Länder,

2. zur endgültigen Loslösung der werktätigen und ausgebeuteten Massen vom Einfluss der Bourgeoisie, zur Festigung des Bündnisses des Proletariats mit diesen Massen und

3. zur Einbeziehung dieser Massen in den sozialistischen Aufbau, zum Aufbau der neuen, sozialistischen Gesellschaft.

Die Diktatur des Proletariats als politischer Überbau entspringt dem herangereiften ökonomischen Bedürfnis der Gesellschaft nach dem Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus. Einmal auf die Welt gekommen, wird jedoch die Diktatur des Proletariats als Instrument zum Aufbau der sozialistischen Wirtschaft selbst zu einer gewaltigen Kraft. Sie hilft ihrer sozialistischen Basis aktiv, sich zu gestalten und zu festigen, sichert die Beseitigung der alten, kapitalistischen Basis und den Sieg der sozialistischen Wirtschaftsformen über die kapitalistischen.

Die sozialistischen Wirtschaftsformen können nicht spontan, nicht im Selbstlauf entstehen und sich entwickeln. Sie entstehen und entwickeln sich durch die planmäßige Tätigkeit des proletarischen Staates und die schöpferischen Aktivität der werktätigen Massen.

Der proletarische Staat kann die Aufgabe, die neue Basis zu schaffen, nur deshalb erfüllen, weil er sich auf objektive ökonomische Gesetze stützt: Zum einen das Gesetz der unbedingten Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte, zum anderen die ökonomischen Gesetze des Sozialismus, die auf der Grundlage der neuen ökonomischen Bedingungen, insbesondere des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln entstehen. Die Diktatur des Proletariats sichert die Schaffung eines im Vergleich zum Kapitalismus höheren Typus der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit. Darin besteht eine Hauptquelle der Kraft der sozialistischen Gesellschaftsordnung und ihres Siegs über die kapitalistische Gesellschaftsordnung.

Der proletarische Staat kann verschiedene Formen haben. „Der Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus muss natürlich eine ungeheure Fülle und Mannigfaltigkeit der politischen Formen hervorbringen, aber das Wesentliche wird dabei unbedingt das eine sein: die Diktatur des Proletariats.“[129] Diese grundlegende These des Marxismus-Leninismus wurde vollauf bestätigt sowohl durch die historischen Erfahrungen der UdSSR, wo sich die Diktatur des Proletariats in Form der Sowjetmacht gefestigt hatte, als auch später durch die historischen Erfahrungen der Länder, in denen die Diktatur des Proletariats in Form der Volksdemokratie entstand.

Den kommunistischen (Arbeiter-)Parteien obliegt in den Ländern, in denen die Diktatur des Proletariats herrscht, die Leitung des gesamten planmäßigen Aufbaus der sozialistischen Wirtschaft. Diese Parteien, die mit der Theorie des Marxismus-Leninismus und damit der Kenntnis der ökonomischen Entwicklungsgesetze der Gesellschaft gewappnet sind, organisieren und leiten die Volksmassen mit dem Ziel, die Aufgaben des sozialistischen Aufbaus zu meistern.

3. Die sozialistische Nationalisierung.

Die Entwicklung des Kapitalismus hat die sozialistische Vergesellschaftung der maschinellen Großindustrie, des mechanisierten Verkehrswesens, der Banken usw. ökonomisch notwendig und möglich gemacht. Deshalb führt der proletarische Staat bereits zu Beginn der Übergangsperiode die Nationalisierung der kapitalistischen Großproduktion durch und nimmt damit den Kapitalisten die herrschende Stellung in der Wirtschaft.

Die sozialistische Nationalisierung ist revolutionäre Beschlagnahme des durch Raub und Ausbeutung entstandenen Eigentums der Ausbeuterklassen durch die proletarische Macht und seine Verwandlung in staatliches, sozialistisches Eigentum – in Volkseigentum. Die sozialistische Nationalisierung führt zur Beseitigung des Grundwiderspruchs des Kapitalismus, des Widerspruchs zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Form der Aneignung.

Entscheidende Bedeutung für den sozialistischen Aufbau hat die Nationalisierung der Großindustrie, des führenden Zweiges in der Volkswirtschaft. Gleichzeitig erfolgt die Nationalisierung der Banken, der Eisenbahnen, der Handelsflotte, des Post- und Fernmeldewesens, der großen Unternehmen im Binnenhandel sowie die Nationalisierung des Außenhandels. Durch die Nationalisierung der Banken verliert die Bourgeoisie eines der wichtigsten Mittel ihrer ökonomischen Herrschaft und gewinnt der proletarische Staat einen zentralisierten und weit verzweigten Wirtschaftsapparat, der nach seiner revolutionären Umgestaltung für den Aufbau des Sozialismus ausgenutzt wird. Die Nationalisierung des Außenhandels ist eine notwendige Bedingung, um die ökonomische Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Landes, das den Sozialismus aufbaut, gegenüber der kapitalistischen Welt zu sichern.

Die sozialistische Nationalisierung entzieht 1. den Kapitalisten die Produktionsmittel und beseitigt dadurch die ökonomische Herrschaft der Bourgeoisie im Land. 2. gibt sie der Diktatur des Proletariats die ökonomische Basis, indem sie die Kommandohöhen der Volkswirtschaft, d.h. die führenden Volkswirtschaftszweige, in die Hände der Werktätigen legt. In diesen Zweigen wird das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln als Grundlage der sozialistischen Produktionsverhältnisse geschaffen

Ausgehend von der Notwendigkeit, die Überreste der Leibeigenschaft, den längst überlebten Großgrundbesitz zu beseitigen, führt der proletarische Staat unverzüglich die Konfiskation des Bodens der Großgrundbesitzer und die Beschlagnahme ihrer Wirtschaften mitsamt dem lebenden und toten Inventar durch. Der überwiegende Teil des konfiszierten Bodens wird der werktätigen Bauernschaft übergeben. Auf dem früher kapitalistisch betriebenen Teil werden große staatliche Landwirtschaftsbetriebe eingerichtet.

Die Nationalisierung des Bodens, d.h. die Aufhebung des Privateigentums am Boden und die Überführung des Bodens in das Eigentum des proletarischen Staates ist eine der wichtigsten Maßnahmen der sozialistischen Revolution. In Abhängigkeit von den konkreten Bedingungen eines jeden Landes entscheidet die proletarische Staatsmacht, mit welchen Methoden und in welchem Zeitraum die Nationalisierung des gesamten Bodens durchzuführen ist. In Russland, wo die Traditionen des Privateigentums am Boden bei den Bauern schwächer waren als im Westen, führte die Sowjetmacht entsprechend den Forderungen der bäuerlichen Massen bereits zu Beginn der Revolution die Nationalisierung des gesamten Bodens durch. Dadurch kam die absolute Grundrente in Wegfall. Die sowjetische Bauernschaft erhielt durch die proletarische Revolution zum erstenmal in der Geschichte Land zur unentgeltlichen Nutzung. In den Ländern, in denen das kleinbäuerliche Privateigentum am Boden bereits seit langem besteht und deshalb die Traditionen des Privateigentums am Boden bei den Bauern stärker sind, nationalisiert die Arbeiterklasse, wenn sie die Macht errungen hat, zu Beginn der Revolution nicht den gesamten Boden. In diesen Ländern wird nur der Teil des bei den Großgrundbesitzern konfiszierten Bodens nationalisiert, aus dem ein staatlicher Fonds gebildet wird. Der größere Teil des konfiszierten Bodens wird jedoch den Bauern als Privateigentum übergeben. Die Frage der Nationalisierung des gesamten Bodens wird dann im Verlaufe der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft gelöst.

In der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, die den Staatsapparat der Bourgeoisie zerschlug, nationalisierte die Sowjetmacht bereits in den ersten Monaten, ohne Entschädigung, die Produktionsmittel und anderen Reichtümer der Gutsbesitzer und Großkapitalisten.

Am 26. Oktober (8. Nov.) 1917 wurde das Dekret über den Grund und Boden erlassen. Der in den Händen der Gutsbesitzer, der Bourgeoisie, der Zarenfamilie, der Kirchen und der Klöster befindliche Boden wurde konfisziert und entschädigungslos enteignet. Das Recht auf Privateigentum am Boden wurde für immer beseitigt. Der gesamte Grund und Boden mit seinen Bodenschätzen, Waldungen und Gewässern wurde staatliches Eigentum (Volkseigentum). Der Kauf und Verkauf von Boden wurde verboten. Die Bauernschaft erhielt zur unentgeltlichen Nutzung über 150 Millionen Deßjatinen Land zusätzlich zu dem, das sie schon vor der Revolution in Nutzung hatte, und wurde von den Pachtzahlungen an die Gutsbesitzer sowie von den Ausgaben für den Kauf von Boden – zusammen mehr als 700 Millionen Goldrubel jährlich – befreit. Die Nationalisierung des Bodens war die Grundlage für die Liquidierung der Klasse der Gutsbesitzer. Sie bedeutete die völlige Ausmerzung der Überreste der Leibeigenschaft. Auf diese Weise führte die sozialistische Revolution sozusagen im Vorbeigehen die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution zu Ende. Die Nationalisierung des Bodens als solche schuf noch keine sozialistischen Produktionsverhältnisse auf dem Land, da der zu Volkseigentum gewordene Boden weiterhin im Rahmen privater Wirtschaften genutzt wurde. Jedoch hatte die Nationalisierung des Bodens große Bedeutung für den sozialistischen Aufbau. Sie festigte die ökonomische Basis der Diktatur des Proletariats und verbesserte die wirtschaftliche Lage der werktätigen Bauern. Sie erleichterte im ferneren Verlauf den Übergang der Bauernschaft auf den sozialistischen Entwicklungsweg.

Als Übergangsmaßnahme zur umfassenden Nationalisierung der kapitalistischen Betriebe und um eine bestimmte Regulierung der Tätigkeit dieser Betriebe zu sichern, führte die Sowjetmacht die Arbeiterkontrolle ein, d.h. die Kontrolle seitens der Belegschaft dieser Betriebe über die Produktion, die Einkaufs- und Absatztätigkeit und die Finanzen. Im Dezember 1917 wurde die Nationalisierung der Banken durchgeführt Die Sowjetmacht annullierte alle Anleihen, die die zaristische Regierung und die Provisorische Regierung sowohl bei ausländischen als auch bei inländischen Kapitalisten aufgenommen hatten. Der Außenhandel wurde zum Staatsmonopol erklärt. Die Ein- und Ausfuhr von Waren wurde der privaten Hand entzogen und an staatliche Organe übergeben. Das von der Sowjetmacht eingeführte Außenhandelsmonopol war eine zuverlässige Schranke, die das Land vor der wirtschaftlichen Aggression der Imperialisten schützte, welche bestrebt waren, sich das Sowjetland zu unterwerfen und in eine Kolonie zu verwandeln. Die Eisenbahnen und das Post- und Fernmeldewesen sowie die Seeschifffahrt und die großen Schiffe der Binnenhandelsflotte wurden Volkseigentum. Die Sowjetmacht vollzog in zunehmendem Umfang die Nationalisierung der Industriebetriebe mittels der entschädigungslosen Konfiskation. Im Juni 1918 wurde die Nationalisierung der Großbetriebe sämtlicher Industriezweige verkündet.

Mit der Nationalisierung der Großindustrie, der Banken, des Verkehrswesens und des Außenhandels brach die Sowjetmacht die ökonomische Macht der Bourgeoisie und bemächtigte sich der Kommandohöhen der Volkswirtschaft.

In den nationalisierten Betrieben wurden die kapitalistischen Produktionsverhältnisse von sozialistischen abgelöst. Die zu gesellschaftlichem Eigentum gewordenen Produktionsmittel hörten damit auf, Kapital zu sein. Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen wurde beseitigt. Eine neue, sozialistische Arbeitsdisziplin setzte sich durch. Die Arbeiter begannen den sozialistischen Wettbewerb zu organisieren. Allmählich entwickelten sich sozialistische Prinzipien der Produktionsleitung, die die Einzelleitung mit der schöpferischen Aktivität der Massen verbinden.

Den Widerstand der Bourgeoisie sowie die Schädlingsarbeit und Sabotage der bürgerlichen Spezialisten überwindend, begann die Sowjetmacht in hartnäckigem Kampf gegen die kleinbürgerliche Anarchie im gesamtstaatlichen Maßstab die Rechnungslegung und Kontrolle über die Produktion und die Verteilung der Produkte zu organisieren.

4. Die Wirtschaftsformen und die Klassen in der Übergangsperiode. Das Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft.

Auf der Grundlage der Nationalisierung der Großindustrie, des Verkehrswesens, der Banken usw. entstehen die sozialistischen Wirtschaftsformen. Neben den sozialistischen Wirtschaftsformen, die auf dem gesellschaftlichen Eigentum an den Produktionsmitteln beruhen, gibt es in der Übergangsperiode noch Wirtschaftsformen, deren Bestehen sich aus der Vergangenheit herleitet und die auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln beruhen. Das bedeutet, dass die Wirtschaft der Übergangsperiode mehrere Formen aufweist.

Während der Übergangsperiode bestanden in der UdSSR folgende fünf Wirtschaftsformen: 1. die patriarchalische bäuerliche Wirtschaft, 2. die kleine Warenproduktion, 3. der privatwirtschaftliche Kapitalismus, 4. der Staatskapitalismus, 5. der sozialistische Sektor.

Die patriarchalische bäuerliche Wirtschaft, die auf persönlicher Arbeit beruht, war kleinbäuerlich, nahezu gänzlich Naturalwirtschaft, d.h., sie produzierte die Erzeugnisse zum überwiegenden Teil für den eigenen Verbrauch.

Die kleine Warenproduktion war auf persönlicher Arbeit beruhende und mehr oder weniger fest mit dem Markt verbundene Wirtschaft. Hierzu gehörten in der Hauptsache die Mittelbauernwirtschaften, die die Hauptmasse des Warengetreides erzeugten, ferner die Wirtschaften der Handwerker, die keine Lohnarbeiter beschäftigten. Der Sektor der kleinen Warenproduktion umfasste in der Übergangsperiode lange Zeit die Mehrheit der Bevölkerung des Landes.

Der privatwirtschaftliche Kapitalismus wurde von der zahlenmäßig stärksten Ausbeuterklasse, dem Kulakentum, ferner von den Eigentümern der nicht nationalisierten kapitalistischen Industriebetriebe – im wesentlichen Klein- und Mittelbetriebe – und von den Kaufleuten vertreten. In den kapitalistischen Betrieben wurden Lohnarbeiter beschäftigt, die Arbeitskraft blieb Ware, es bestanden Ausbeutungsverhältnisse, und es wurde Mehrwert geschaffen.

Der Staatskapitalismus existierte hauptsächlich in Gestalt der Konzessionen, die die Sowjetmacht ausländischen Kapitalisten gewährte, und in Gestalt einiger an Kapitalisten verpachteter staatlicher Betriebe. Der Staatskapitalismus unterscheidet sich unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats wesentlich vom Staatskapitalismus unter der Herrschaft der Bourgeoisie. Unter der Diktatur des Proletariats ist der Staatskapitalismus ein ökonomischer Sektor, dem von der proletarischen Macht enge Grenzen gezogen sind und der von ihr zum Kampf gegen die kleinbürgerliche Anarchie, für den sozialistischen Aufbau ausgenutzt wird. In der Wirtschaft der UdSSR spielte der Staatskapitalismus eine nebengeordnete Rolle.

Der sozialistische Sektor umfasst 1. die in Händen des Sowjetstaates befindlichen Fabriken und Werke, das Verkehrswesen, die Banken, die Sowjetgüter, die Handels- und sonstigen Unternehmen und 2. die Genossenschaften – Konsum-, Einkaufs-, Kredit- und Produktionsgenossenschaften, darunter als höchste Form die Kollektivwirtschaften. Die Grundlage des sozialistischen Sektors ist die maschinelle Großindustrie. Schon am Anfang der Übergangsperiode begann der sozialistische Sektor, der im Vergleich zu allen anderen Sektoren den höchsten Wirtschaftstypus darstellt, die führende Rolle in der Wirtschaft des Landes zu spielen.

Im sozialistischen Wirtschaftssektor ist die Arbeitskraft keine Ware mehr. Die Arbeit hat den Charakter der Lohnarbeit verloren und ist zur notwendigen Arbeit für sich und für die Gesellschaft geworden. Mehrwert und Profitwirtschaft gibt es nicht mehr. Die Tätigkeit der nationalisierten Betriebe wurde zunächst im Rahmen der einzelnen Zweige und später im Rahmen des gesamten staatlichen Sektors geplant. Infolge der Errichtung des sozialistischen Eigentums an den Produktionsmitteln gelangten die in den staatlichen Betrieben hergestellten Erzeugnisse nicht mehr in die Hand von Kapitalisten, sondern in die des proletarischen Staates.

Nicht in jedem Land, das den Sozialismus errichtet, müssen fünf Wirtschaftssektoren bestehen; das war eine Besonderheit in Sowjetrussland. Wie Lenin lehrte und wie es die Geschichte bereits bestätigt hat, bestehen in jedem Land in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus folgende Hauptformen der gesellschaftlichen Wirtschaft: der Sozialismus, die kleine Warenproduktion und der Kapitalismus. Diesen Formen entsprechen die Klassen: die Arbeiterklasse, das Kleinbürgertum und die Bourgeoisie. Diese Hauptmerkmale der Wirtschaft, der Klassenverhältnisse und folglich auch der Grundlagen der Wirtschaftspolitik der Diktatur des Proletariats in der Übergangsperiode sind allen Ländern gemeinsam, was spezifische Besonderheiten in jedem Lande nicht ausschließt, sondern vielmehr voraussetzt.

Die Lage der Klassen verändert sich in der Übergangsperiode im Vergleich zu der im Kapitalismus von Grund auf. Die Arbeiterklasse wurde aus der unterdrückten Klasse, die sie im Kapitalismus war, zur herrschenden Klasse, die die Macht in den Händen hält und gemeinsam mit allen Werktätigen zum Eigentümer der vom Staat vergesellschafteten Produktionsmittel geworden ist. Die materielle Lage der Arbeiterklasse verbessert sich ununterbrochen, und ihr kulturelles Niveau steigt.

Die Bauernschaft, die Massen der Klein- und Mittelbauern werden vom sozialistischen Staat mit Boden versorgt, vom Joch der Gutsbesitzer befreit, vor dem Kulaken geschützt und in jeder Beziehung wirtschaftlich und kulturell unterstützt. Die kleine Warenproduktion erzeugt unausbleiblich kapitalistische Elemente. In der Bauernschaft geht eine Klassendifferenzierung vor sich, sie differenziert sich in arme Bauern und Großbauern. Jedoch trägt der Prozess der Differenzierung der Bauernschaft in der Übergangsperiode einen anderen Charakter als im Kapitalismus. Unter kapitalistischen Bedingungen wachsen im Dorf die arme Bauernschaft und die Großbauernschaft, während die Mittelbauernschaft zusammenschmilzt, in ihrer Masse ruiniert wird und die Reihen der Dorfarmut und des Proletariats auffüllt. In der UdSSR erhöhte sich bis zur Kollektivierung der Landwirtschaft die Anzahl und der prozentuale Anteil der Mittelbauern durch Verringerung der Dorfarmut, von der sich ein Teil zu Mittelbauern entwickelte. Gleichzeitig wuchs das Kulakentum in weitaus geringerem Maße als im Kapitalismus; der Mittelbauer wurde die zentrale Figur in der Landwirtschaft.

Nach der Oktoberrevolution, bereits im Jahre 1918, überwogen innerhalb der Bauernschaft die Mittelbauern, da die Bauern unentgeltlich Land sowie einen Teil des Viehs und des Inventars der Gutsbesitzer erhalten hatten. 1918 wurde eine teilweise Enteignung der Kulaken durchgeführt, denen 50 Millionen Hektar Land abgenommen wurden, das die Klein- und Mittelbauern erhielten. 1928/29 entfielen von sämtlichen Bauernwirtschaften 35% auf die arme Bauernschaft, 60% auf die Mittelbauern und 4-5% auf die Kulaken.

Die Übergangsperiode war durch das Leninsche Prinzip geprägt: Festes Bündnis mit dem Mittelbauern, gestützt auf die arme Bauernschaft, unversöhnlicher Kampf gegen den Kulaken. Lenin lehrt, dass die Arbeiterklasse, die die Bauernschaft führt, immer zwei Seiten beim Bauern unterscheiden muss – den Werktätigen und den Privateigentümer.

Der Mittelbauer ist seinem Wesen nach zwiespältig: als Werktätiger fühlt er sich zum Proletariat hingezogen, und als Kleineigentümer zur Bourgeoisie. Sowohl die Bourgeoisie als auch das Proletariat sind bemüht, die Massen der Mittelbauern auf ihre Seite zu ziehen. Dabei appelliert die Arbeiterklasse an die Lebensinteressen der Bauern als Werktätige, während die Bourgeoisie versucht, sich die Interessen des Bauern als Privateigentümer zunutze zu machen. In der Übergangsperiode, besonders solange die Bauernschaft ihre Existenz auf das Privateigentum und die kleine Warenproduktion gründet, bestehen zwischen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft einige nichtantagonistische Gegensätze, z.B. in der Frage der Preise oder der Höhe der Steuern. Doch können diese Widersprüche im Rahmen des Sozialismus gelöst werden, denn in den grundlegenden Fragen haben die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen der Bauernschaft die gleichen Interessen – beide Klassen sind zutiefst an der Beseitigung der Ausbeutung und an dem Sieg des Sozialismus interessiert. Darin besteht die Grundlage des festen Bündnisses der zwei befreundeten Klassen – der Arbeiterklasse und der Bauernschaft.

Das feste Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft ist die unerlässliche Voraussetzung für die Herstellung der richtigen ökonomischen Beziehungen zwischen Stadt und Dorf, zwischen Industrie und Landwirtschaft und damit für den Aufschwung der Landwirtschaft und ihre sozialistische Umgestaltung. Nur auf der Grundlage des Bündnisses der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft ist die Beseitigung der kapitalistischen Wirtschaftsformen und der Sieg des Sozialismus möglich.

Die Arbeiterklasse und die Bauernschaft sind die Hauptklassen in der Übergangsperiode. Die Bourgeoisie ist nach dem Verlust ihrer Macht und der ausschlaggebenden Produktionsmittel keine der Hauptklassen der Gesellschaft mehr. Den Großkapitalisten und einem beträchtlichen Teil der mittleren städtischen Bourgeoisie werden zu Beginn der Übergangsperiode die Produktionsmittel weggenommen. Jedoch bleibt danach noch ein Teil der städtischen Bourgeoisie sowie die Dorfbourgeoisie, das Kulakentum, bestehen. Eine Reihe von Jahren behält die Bourgeoisie in der Übergangsperiode noch eine erhebliche Stärke. Dies erklärt sich daraus, dass die kleine Warenproduktion unvermeidlich und spontan kapitalistische Elemente erzeugt und dass die kapitalistische Wirtschaft unmöglich sofort in allen Wirtschaftszweigen durch die sozialistische ersetzt werden kann. Die Bourgeoisie behält auch nach dem Verlust ihrer Herrschaft in bestimmtem Umfang finanzielle und materielle Mittel sowie die Verbindungen mit dem kapitalistischen Ausland.

Der Grundwiderspruch der Wirtschaft der Übergangsperiode ist der Widerspruch zwischen dem gerade entstandenen, jedoch in der ersten Zeit noch schwachen Sozialismus, dem die Zukunft gehört, und dem gestürzten, doch zunächst noch starken Kapitalismus, der seine Wurzeln in der kleinen Warenproduktion und im Kleinbürgertum hat und das Vergangene darstellt. Auf allen Gebieten des wirtschaftlichen Lebens entbrennt in der Übergangsperiode der Kampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus nach dem Prinzip: „Wer - Wen“. Zwischen der Arbeiterklasse und den breiten Massen der Bauernschaft einerseits sowie der Bourgeoisie anderseits bestehen antagonistische, unversöhnliche Gegensätze. In der Übergangsperiode betreibt der proletarische Staat zunächst die Politik der Einschränkung und Verdrängung der kapitalistischen Elemente und im weiteren die Politik ihrer völligen Liquidierung. Für die Übergangsperiode ist die Verschärfung des Klassenkampfes des Proletariats und der werktätigen Massen gegen die Bourgeoisie, deren Widerstand sich in dem Maße verstärkt, wie sich der sozialistische Aufbau entfaltet, eine gesetzmäßige Erscheinung.

5. Die Entstehung der ökonomischen Gesetze des Sozialismus.

Da der sozialistische Sektor sich der Kommandohöhen der Wirtschaft bemächtigt hatte, verloren in der UdSSR die kapitalistischen Wirtschaftsformen und deren Entwicklungsgesetze bereits zu Beginn der Übergangsperiode ihre herrschende Stellung in der Volkswirtschaft. Die Entwicklung der Volkswirtschaft wurde nicht mehr durch das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus bestimmt. Der Wirkungsbereich des Mehrwertgesetzes erstreckte sich nur auf die immer weiter eingeschränkten kapitalistischen Wirtschaftsformen.

Auf der Grundlage der neuen ökonomischen Bedingungen entstanden neue, den sozialistischen Produktionsverhältnissen eigene ökonomische Gesetze und dehnten ihren Wirkungsbereich allmählich aus.

Mit der Herausbildung und Entwicklung der sozialistischen Formation entsteht und beginnt allmählich das ökonomische Grundgesetz des Sozialismus zu wirken, das das neue Ziel der Produktion bestimmt: „Sicherung der maximalen Befriedigung der ständig wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft durch ununterbrochenes Wachstum der sozialistischen Produktion auf der Basis der höchstentwickelten Technik.“[130] In der Wirtschaft des Landes bestanden neben dem sozialistischen Sektor der Sektor der kleinen Warenproduktion und der kapitalistische Sektor. Die Frage „Wer – Wen“ war noch nicht entschieden. Infolgedessen war der Wirkungsbereich des ökonomischen Grundgesetzes des Sozialismus begrenzt. Es wirkte innerhalb des sozialistischen Sektors. Da aber der sozialistische Sektor die führende Rolle spielte und sich sein Anteil an der Wirtschaft des Landes ununterbrochen vergrößerte, übte das ökonomische Grundgesetz des Sozialismus zunehmenden Einfluss auf die Entwicklung der gesamten Volkswirtschaft aus.

Der Sowjetstaat stützte sich in seiner Wirtschaftspolitik auf dieses Gesetz, indem er die sozialistische Produktion entwickelte, in sämtlichen Wirtschaftszweigen die moderne Technik einführte und eine systematische Steigerung des Wohlstandes der Werktätigen in dem Umfange erzielte, der unter den schwierigen Bedingungen der Übergangsperiode möglich war.

Das gesellschaftliche Eigentum, das die Betriebe des sozialistischen Sektors vereinigt, macht dessen planmäßige Entwicklung notwendig und möglich. Auf der Grundlage der sozialistischen Produktionsverhältnisse entsteht in der Übergangsperiode das ökonomische Gesetz der planmäßigen (proportionalen) Entwicklung der Volkswirtschaft und beginnt allmählich zu wirken. Dieses Gesetz erfordert die planmäßige Leitung der Wirtschaft und die planmäßige Herstellung solcher Proportionen zwischen den Wirtschaftszweigen, wie sie für den Sieg des Sozialismus und für die Befriedigung der wachsenden Bedürfnisse der Gesellschaft notwendig sind. Anfangs war der Wirkungsbereich dieses neuen Gesetzes begrenzt, weil der sozialistische Sektor den kleineren Teil der Volkswirtschaft umfasste und die Sowjetmacht erst begann, die Planung zu meistern. In dem Maße, wie sich die sozialistischen Wirtschaftsformen entwickelten, verlor das Gesetz der Konkurrenz und der Anarchie der Produktion an Kraft und dehnte sich der Wirkungsbereich des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft immer mehr aus.

Im sozialistischen Sektor hörte das Gesetz des Wertes der Arbeitskraft auf zu wirken. Auf der Grundlage der neuen Produktionsverhältnisse entstand hier und wurde wirksam das ökonomische Gesetz der Verteilung nach Arbeitsleistung, gemäß dem jeder Arbeitende entsprechend der von ihm aufgewandten Arbeit Vergütung erhalten muss.

Alles dies veränderte die Bedingungen für das Wirken des Wertgesetzes von Grund aus. Da es auch weiterhin Warenproduktion und -zirkulation gab, blieb auch das Wertgesetz bestehen. Durch die Vergesellschaftung der wichtigsten Produktionsmittel verengte sich jedoch die Sphäre der Warenproduktion und des Wertgesetzes und diese begannen eine grundsätzlich andere Rolle zu spielen als im Kapitalismus.

Das Wertgesetz wirkte in der kleinen Warenproduktion und im kapitalistischen Sektor der Volkswirtschaft mit bestimmten Einschränkungen als Regulator der Produktion, nicht aber im staatlichen, sozialistischen Sektor.

Die proletarische Macht erlangte immer mehr die Herrschaft über die Warenproduktion, das Wertgesetz, den Handel und die Geldzirkulation und nutzte sie für die Entwicklung der sozialistischen Wirtschaftsformen sowie für den Kampf gegen die kapitalistischen Elemente aus. Von Lenins Leitsätzen über die neue Rolle des Handels und des Geldes unter den Bedingungen der Übergangsperiode ausgehend, sagte Stalin: „Es handelt sich durchaus nicht darum, dass Handel und Geldsystem Methoden ‚kapitalistischer Ökonomik’ sind. Es handelt sich darum, dass die sozialistischen Elemente unserer Wirtschaft im Kampf gegen die kapitalistischen sich diese Methoden und Waffen der Bourgeoisie aneignen und sie zur Überwindung der kapitalistischen Elemente ausnutzen, und zwar mit Erfolg ausnutzen gegen den Kapitalismus, sie mit Erfolg ausnutzen zur Errichtung des sozialistischen Fundaments unserer Wirtschaft. Es handelt sich also darum, dass die Funktionen und die Bestimmung dieser Instrumente der Bourgeoisie dank der Dialektik unserer Entwicklung eine prinzipielle, grundlegende Änderung erfahren, und zwar eine Änderung zugunsten des Sozialismus und zuungunsten des Kapitalismus.“[131]

6. Die Grundlagen der Wirtschaftspolitik in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus.

Ohne die richtige Einschätzung der objektiven ökonomischen Bedingungen der Übergangsperiode und der auf Grundlage dieser Bedingungen entstandenen ökonomischen Gesetze ist der Aufbau des Sozialismus unmöglich. Die Kommunistische Partei legte ihrer Politik Lenins Plan zum Aufbau des Sozialismus zugrunde, stützte sich auf die ökonomischen Gesetze und berücksichtigte die tatsächlichen Wechselbeziehungen zwischen den Klassenkräften.

Von höchster Bedeutung für die Errichtung des Sozialismus in der UdSSR war Lenins Lehre vom Sieg des Sozialismus in einem Land. Diese Lehre gab der Partei und der Arbeiterklasse eine klare Perspektive und die Gewissheit vom Sieg der Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus.

In der Frage des Siegs des Sozialismus in einem Lande sind unbedingt zwei Seiten zu unterscheiden: die innere und die internationale Seite. Die innere Seite umfasst das Problem der Klassenbeziehungen innerhalb des Landes. Die Kommunistische Partei ging davon aus, dass die Arbeiterklasse die Gegensätze zwischen sich und der Bauernschaft überwinden, das Bündnis mit ihr festigen und die bäuerlichen Massen in den Aufbau des Sozialismus einbeziehen kann. Die Arbeiterklasse ist im Bündnis mit der Bauernschaft durchaus in der Lage, nachdem der Kapitalismus politisch zerschlagen ist, die Bourgeoisie auch ökonomisch zu überwinden, die Ausbeuterklassen zu liquidieren und die sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Die internationale Seite der Frage umfasst das Problem der Wechselbeziehungen des Landes der proletarischen Diktatur und der kapitalistischen Länder. Unter den Bedingungen des Nebeneinanderbestehens der zwei entgegengesetzten Systeme – des sozialistischen und des kapitalistischen Systems – bleibt die Gefahr einer bewaffneten Aggression gegen das Land des Sozialismus seitens der ihm feindlichen imperialistischen Mächte bestehen. Dieser Widerspruch kann nicht mit den Kräften nur eines einzelnen Landes der proletarischen Diktatur gelöst werden. Darum kann der Sieg des Sozialismus erst als endgültig betrachtet werden, wenn die Gefahr der Intervention und der Restauration des Kapitalismus seitens der aggressiven imperialistischen Großmächte beseitigt ist.

Eine unerlässliche Voraussetzung für den erfolgreichen sozialistischen Aufbau in der UdSSR war die Zurückweisung der kleinbürgerlichen Theorie, dass die Errichtung des Sozialismus in einem Lande unmöglich und dass Russland seiner technisch-ökonomischen Rückständigkeit wegen für den Sozialismus „nicht reif genug“ sei.

Die Kommunistische Partei ging von den Thesen Lenins aus, dass in der UdSSR alles für den endgültigen Aufbau des Sozialismus Notwendige in ausreichendem Maße vorhanden ist und dass die technisch-ökonomische Rückständigkeit Russlands unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats vollständig überwunden werden kann. Die historischen Erfahrungen bestätigten vollauf die Richtigkeit dieser Thesen Lenins.

Lenins Plan des Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR enthielt die Maßgabe, eine mächtige sozialistische Industrie zu schaffen als materielle Basis des Sozialismus und als notwendige Voraussetzung für den allmählichen Übergang der kleinen Bauernwirtschaften zur kollektiven Großproduktion ihre Zusammenfassung in Genossenschaften. Erstrangige Bedeutung im Rahmen des Leninschen Programms zum Aufbau des Sozialismus kam dem im Jahre 1920 angenommenen Staatlichen Plan der Elektrifizierung Russlands zu - dem GOELRO-Plan. Das war in der Geschichte der Menschheit der erste Perspektivplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft, darauf berechnet, im Verlaufe von 10 bis 15 Jahren die ökonomisch-technische Basis des Sozialismus zu schaffen.

„Der Sieg des Sozialismus über den Kapitalismus, die Festigung des Sozialismus kann erst dann als gesichert gelten, wenn die proletarische Staatsmacht, nachdem sie jeden Widerstand der Ausbeuter endgültig gebrochen und sich vollkommene Stabilität und völlige Unterordnung gesichert hat, die gesamte Industrie nach den Grundsätzen des kollektiven Großbetriebs und auf Grund der modernsten Errungenschaften der Technik (Elektrifizierung der gesamten Wirtschaft) reorganisiert. Nur das wird der Stadt die Möglichkeit geben, der zurückgebliebenen, zersplitterten Landbevölkerung eine so radikale technische und soziale Unterstützung zu gewähren, dass durch diese Unterstützung die materielle Grundlage für eine gewaltige Hebung der Produktivität des Ackerbaus und der landwirtschaftlichen Arbeit überhaupt geschaffen wird und auf diese Weise die kleinen Landwirte durch die Macht des Beispiels veranlasst werden, um des eigenen Vorteils willen zur kollektiven, mit Maschinen arbeitenden Großlandwirtschaft überzugehen.“[132]

Die wichtigste Bedingung für die Durchführung des Leninschen Plans des Aufbaus des Sozialismus war die allseitige Entwicklung der ökonomischen Verbindungen zwischen der staatlichen Industrie und der bäuerlichen Wirtschaft. Aus dem Charakter der kleinbäuerlichen Wirtschaft folgt, dass für die Bauern die lebensnotwendige Form der ökonomischen Verbindung mit der Stadt der Austausch durch Kauf und Verkauf ist. In der Übergangsperiode stellte der Zusammenschluss zwischen der staatlichen Industrie und der kleinbäuerlichen Wirtschaft mittels des Handels eine ökonomische Notwendigkeit dar.

Folglich bedingt das Vorhandensein der bäuerlichen Wirtschaft als kleine Warenproduzenten in der Übergangsperiode die Notwendigkeit, beim Aufbau des Sozialismus den Markt, den Handel und die Ware-Geld-Beziehungen auszunutzen.

Bereits im Frühjahr 1918 begann die Sowjetmacht den Warenaustausch mit dem Dorf auf dem Wege des Kaufs und Verkaufs in Gang zu bringen. Mit der Vorbereitung einer Geldreform war begonnen worden. Angesichts der ausländischen Intervention und der äußersten Beschränktheit der materiellen Reserven musste jedoch die gesamte Wirtschaft in den Dienst der Front gestellt werden. Die Intervention verstärkte den durch den ersten Weltkrieg hervorgerufenen Ruin des Landes noch mehr. Die Sowjetmacht verfügte über keine Industriewaren für den Austausch gegen die ebenfalls immer spärlicher werdenden Erzeugnisse der Landwirtschaft. Landwirtschaftliche Erzeugnisse für die Armee und die Stadt mit der Methode des Kaufs und Verkaufs zu beschaffen, war unmöglich. Sie mussten unter Ausschaltung des Marktes, auf dem Wege der Ablieferungspflicht, d.h. der staatlichen Einziehung aller überschüssigen Lebensmittel bei den Bauern, beschafft werden. So zwangen die objektiven Bedingungen die Sowjetmacht, jene Politik einzuführen, die den Namen „Kriegskommunismus“ erhalten hat.

Die Notwendigkeit der Ablieferungspflicht wurde durch die äußerste Not hervorgerufen: die Armee benötigte Brot, und die Arbeitermassen mussten vor dem Hungertod bewahrt werden. Da dem Staat keine Warenreserven zur Verfügung standen, wurde der Handel mit den wichtigsten Erzeugnissen verboten, damit sie nicht Spekulanten in die Hände fielen. Konsumgüter wurden in den Städten zu sehr niedrigen Normen auf Karten ausgegeben. Bei der Verteilung wurde das Klassenprinzip eingehalten; außerdem hing die Höhe der Zuteilung von der Schwere der Arbeit und der Wichtigkeit des Betriebes ab. Es wurde die allgemeine Arbeitspflicht eingeführt. Die Bourgeoisie wurde zu gesellschaftlich nützlicher obligatorischer Arbeit herangezogen. Die Bedingungen des Krieges erforderten, dass die Sowjetmacht nicht nur die großen und mittleren Industriebetriebe, sondern auch einen bedeutenden Teil der kleinen Betriebe in ihre Hände nahm. Angesichts der begrenzten Mittel in der Industrie wurde das System der straff zentralisierten Naturalversorgung eingeführt, das den Aufgaben der Versorgung der Front untergeordnet war. Den Betrieben wurden Erzeugnisse geliefert, und die Betriebe gaben ihre Produktion ab auf Grund von Anweisungen, ohne Bezahlung. Sie hatten keinerlei wirtschaftliche Selbständigkeit. Durch den imperialistischen Krieg und den Bürgerkrieg war die Volkswirtschaft der UdSSR völlig zerrüttet. Im Jahre 1920 war die Produktion der Großindustrie im Vergleich zum Jahre 1913 fast auf ein Siebentel und die Produktion der Landwirtschaft annähernd auf die Hälfte abgesunken. Zur Deckung der Staatsausgaben wurden Massen von Papiergeld emittiert, das sich rasch entwertete.

Die Arbeiter in den Betrieben und die Kämpfer der Roten Armee an den Fronten kämpften heldenhaft. Große Bedeutung erhielten in jener Periode solche Formen des Wettbewerbs wie die Kommunistischen Subbotniks (unentgeltliche Wochenendarbeit.) Die Arbeiterklasse sammelte Erfahrungen in der Leitung der Produktion.

Unter den Verhältnissen der ausländischen Intervention und des Bürgerkrieges bildete und festigte sich das militärisch-politische Bündnis zwischen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft. Es diente dem Zweck, die Kräfte der Arbeiter und Bauern zu vereinigen, um den Angriff der fremdländischen Interventen und der Weißgardisten zurückzuschlagen sowie die Heimat, den Staat der Arbeiter und Bauern, zu retten. Die Sowjetmacht gab der Bauernschaft Land und schützte sie vor den Gutsbesitzern und Kulaken; die Bauernschaft gab der Arbeiterklasse Lebensmittel entsprechend der Ablieferungspflicht – dies war die Grundlage des militärisch-politischen Bündnisses der Arbeiter und Bauern im „Kriegskommunismus“.

Unter den historischen Bedingungen des Bürgerkriegs und der wirtschaftlichen Zerrüttung war der „Kriegskommunismus“ eine Notwendigkeit. Da er jedoch die Ablieferungspflicht und das Verbot des Handels bedingte, nahm er den Bauern das materielle Interesse an der Erzeugung von Lebensmitteln; mit dem ökonomischen Bündnis zwischen Stadt und Land ist er daher unvereinbar. Darum kommt der proletarische Staat, wenn keine Intervention stattfindet und die Volkswirtschaft nicht durch einen langjährigen Krieg zerrüttet ist, ohne „Kriegskommunismus“ aus. Dies haben die Erfahrungen der volksdemokratischen Länder bestätigt.

Nach Beendigung der ausländischen Intervention und des Bürgerkrieges ging die Sowjetmacht im Frühjahr 1921 zur Neuen Ökonomischen Politik (NÖP) über, die so genannt wurde, um sie von der Politik des „Kriegskommunismus“ zu unterscheiden. Die Hauptgrundsätze der Neuen Ökonomischen Politik waren von Lenin bereits im Frühjahr 1918 ausgearbeitet worden. Die Intervention hatte jedoch ihre Verwirklichung verhindert. Erst nach drei Jahren erhielt die Sowjetmacht die Möglichkeit, diese Politik erneut zu verkünden und konsequent in die Tat umzusetzen.

Die von der Sowjetmacht in der Übergangsperiode durchgeführte Neue Ökonomische Politik ist eine Wirtschaftspolitik, die auf den Aufbau des Sozialismus gerichtet ist und den Markt, den Handel und die Geldzirkulation ausnutzt. Das Wesen dieser Politik besteht im ökonomischen Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft, das unerlässlich ist, um die bäuerlichen Massen in den sozialistischen Aufbau einzubeziehen.

Am Anfang des Jahres 1922 sagte Lenin über die Aufgaben der NÖP: „Es gilt, sich eng mit der Bauernmasse, mit der einfachen, werktätigen Bauernschaft zusammenzuschließen und zu beginnen, sich vorwärts zu bewegen, zwar unvergleichlich, unendlich langsamer, als wir uns erträumt haben, dafür aber so, dass wirklich die ganze Masse mit uns vorwärts schreitet. Dann wird auch zur gegebenen Zeit eine solche Beschleunigung dieser Bewegung einsetzen, von der wir augenblicklich nicht einmal zu träumen wagen.“[133]

Die vordringlichste Aufgabe beim Übergang zur NÖP war die Wiederherstellung der Wirtschaft. Es musste damit begonnen werden, die werktätigen Bauern wirtschaftlich für eine rasche Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion zu interessieren, um die Stadtbevölkerung mit Lebensmitteln und die Industrie mit Rohstoffen versorgen zu können. Also galt es, die staatliche Industrie voranzubringen, sie eng mit der Landwirtschaft zusammenzuschließen und dabei das Privatkapital zu verdrängen. Als nächste Aufgabe, nachdem genügend Mittel akkumuliert waren, war eine mächtige sozialistische Industrie zu schaffen, die fähig war, die Landwirtschaft auf sozialistischer Grundlage zu reorganisieren und einen entscheidenden Angriff auf die kapitalistischen Elemente zu entfalten, um sie endgültig zu liquidieren.

Die Neue Ökonomische Politik war auf die Zulassung des Kapitalismus innerhalb bestimmter Grenzen berechnet, wobei sich die Kommandohöhen der Wirtschaft in den Händen des proletarischen Staates befanden; sie war berechnet auf den Kampf der sozialistischen Elemente gegen die kapitalistischen, auf den Sieg der sozialistischen Elemente in diesem Kampf, auf die Liquidierung der Ausbeuterklassen und die Schaffung der ökonomischen Basis des Sozialismus.

Der Handel war am Anfang der NÖP das entscheidende Kettenglied, das man ergreifen musste, um die ganze Kette des wirtschaftlichen Aufbaus hinterher zu ziehen. Die Beendigung des Krieges erlaubte es, die Ablieferungspflicht durch die Naturalsteuer zu ersetzen. Die Naturalsteuer, deren Höhe bereits jeweils vor der Frühjahrsaussaat festgesetzt wurde, war niedriger als die Ablieferungsnormen und ließ den Bauern Überschüsse an Getreide und anderen Produkten für den freien Verkauf auf dem Markt, für den Austausch gegen Industriewaren. Lenin unterstrich die zwingende Notwendigkeit, auf solche Art Handel treiben zu lernen, dass die sozialistische Industrie die Bedürfnisse der Bauernschaft befriedigt.

Die Notwendigkeit der Warenzirkulation zwischen Stadt und Land bedingte die Entwicklung von Warenbeziehungen auch in der Industrie und forderte die Festigung der Geldwirtschaft des Landes. Mit dem Übergang zur Neuen Ökonomischen Politik wurde die Naturalversorgung in der Industrie durch das System des Kaufs und Verkaufs ersetzt. Die staatlichen Betriebe wurden auf die wirtschaftliche Rechnungsführung umgestellt und begannen in steigendem Maße nach dem Prinzip der Kostendeckung zu arbeiten, wobei sie eine bestimmte Rentabilität erzielten. Die Rationierung wurde durch einen entfalteten Handel ersetzt. Im Jahre 1924 wurde die Geldreform abgeschlossen, die dem Lande eine stabile Währung sicherte.

Die Sowjetmacht schränkte allmählich die Wirkungssphäre des Wertgesetzes ein, wobei sie sich auf das Gesetz der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft stützte, und ging Schritt für Schritt zur Planung der staatlichen Industrie über.

Innerhalb des staatlichen Sektors führte die Sowjetmacht die unmittelbare Planung durch, indem sie die Produktionsaufgaben bis auf die Betriebe aufschlüsselte. Für die von den staatlichen Betrieben erzeugten Güter wurden feste Preise festgesetzt. In bezug auf die bäuerliche Wirtschaft war eine solche Planung unmöglich. Auf die bäuerliche Wirtschaft wirkte der Staat auf dem Wege der indirekten ökonomischen Regulierung ein, mit Hilfe des Handels, der Versorgung, der Beschaffung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, der Preise, des Kredits und der Finanzen. Diese ökonomischen Instrumente wurden vom Sowjetstaat ausgenutzt, um das Bündnis mit der bäuerlichen Wirtschaft zu festigen und die führende Rolle des sozialistischen Sektors zu stärken. Das Wirken des Wertgesetzes auf dem privaten Markt kam darin zum Ausdruck, dass sich die Preise elementar bildeten, die Konkurrenz bestehen blieb, spekuliert wurde und die kapitalistischen Elemente sich auf Kosten der Werktätigen bereicherten. In dem Maße, wie der Sowjetstaat immer größere Warenmengen in seinen Händen konzentrierte und die Beschaffung landwirtschaftlicher Erzeugnisse ausdehnte, begann er in hartnäckigem Kampf mit den kapitalistischen Elementen die Preise für Getreide und andere wichtige Waren im wesentlichen zu bestimmen und so das freie Spiel der Marktpreise einzuschränken. Die regulierende Rolle des Staates gegenüber dem privaten Markt verstärkte sich mehr und mehr.

Unter Ausnutzung der sozialistischen Industrie, des Finanz- und Kreditsystems, des staatlichen Handels und der Genossenschaften führte die Sowjetmacht in erbittertem Klassenkampf konsequent die Politik der Einschränkung und Verdrängung der kapitalistischen Elemente – der Industriellen, Kulaken und Kaufleute – durch. Die Besteuerung der Kapitalisten wurde verstärkt; die Möglichkeit, Produktionsmittel und Lohnarbeit auszunutzen, wurde immer mehr eingeschränkt. Somit verengte sich auch der Wirkungsbereich des Mehrwertgesetzes immer mehr. Wenn in den ersten Jahren der NÖP die kapitalistischen Elemente in bestimmten Grenzen wieder auflebten und anwuchsen, so nahm ihr Einfluss in der Wirtschaft bald darauf ganz entscheidend ab.

Eine notwendige Voraussetzung für den Aufschwung der staatlichen Industrie war die Ausnutzung der persönlichen materiellen Interessiertheit der Arbeiter an der Entwicklung der sozialistischen Produktion. Ausgehend vom Leistungsprinzip brachte der Sowjetstaat den Lohn der Arbeiter und Angestellten immer mehr mit der Quantität und Qualität der von jedem Werktätigen aufgewandten Arbeit in Übereinstimmung. Dies förderte die systematische Steigerung der Arbeitsintensität.

In der Übergangsperiode vollzog sich in der Wirtschaft ein zweiseitiger Prozess Einerseits entwickelten sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt und in bestimmten Grenzen spontan kapitalistische Elemente. Anderseits ging ein ununterbrochenes und bei weitem schnelleres, planmäßiges Anwachsen der sozialistischen Elemente vor sich, das den Entwicklungsgang der gesamten Volkswirtschaft bestimmte.

In den ersten Jahren der NÖP betrug der Anteil des privatwirtschaftlichen Sektors an der Industrieproduktion etwa ein Viertel; im Jahre 1929 jedoch war er auf ein Zehntel abgesunken. Wenn im Jahre 1921/22 annähernd drei Viertel des Einzelhandelsumsatzes auf den privaten Handel entfielen, so hatte sich der staatliche und genossenschaftliche Handel nach erfolgreicher Verdrängung der Privathändler bereits im Jahre 1926 die sichere Vorherrschaft im Einzelhandel erobert.

Die Steigerung des Warenumsatzes und die Festigung des Bündnisses mittels des Handels waren die Voraussetzungen für die rasche Wiederherstellung der Wirtschaft und den Aufschwung der sozialistischen Industrie. Die Sowjetmacht nutzte die Vorzüge der sozialistischen Industrie aus und bewerkstelligte auf diese Weise, dass die Großindustrie im Jahre 1926 den Stand der Produktion von 1913 erreichte. Infolge der vielseitigen Hilfe der Sowjetmacht für die werktätige Bauernschaft überstieg die Gesamtproduktion der Landwirtschaft im Jahre 1926 den Stand von 1913, dem Vorkriegsstand.

Mit der Wiederherstellung der Industrie und der Landwirtschaft begann der Übergang zur sozialistischen Rekonstruktion der gesamten Volkswirtschaft. In dem Maße, wie sich Industrie und Landwirtschaft entwickelten, erhöhte sich das materielle und kulturelle Niveau der Werktätigen. Im Verlauf der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus meisterte das Sowjetvolk unter Führung der Kommunistischen Partei in gesetzmäßiger Reihenfolge folgende Aufgaben:

1. Eroberung der Kommandohöhen in der Volkswirtschaft auf dem Wege der sozialistischen Nationalisierung, Herstellung des ökonomischen Bündnisses über den Handel zwischen der sozialistischen Industrie und der bäuerlichen Wirtschaft und Versorgung des Dorfes mit Konsumgütern

2. sozialistische Industrialisierung des Landes und Herstellung des Produktionsbündnisses mit dem Dorf durch Versorgung der Bauernschaft mit der modernen maschinellen Technik

3. Kollektivierung der Landwirtschaft und Schaffung der ökonomischen Basis des Sozialismus auf dem Lande.

Die Grundprinzipien der in der UdSSR durchgeführten Neuen Ökonomischen Politik sind für jedes Land, das den Sozialismus aufbaut, eine Anleitung zum Handeln. Die konkreten Formen des wirtschaftlichen Aufbaues in dem einen oder anderen Lande müssen jedoch den Besonderheiten in seiner Entwicklung und den Umständen entsprechen, unter denen die sozialistische Revolution durchgeführt wird. Lenin hob hervor: „Marx band sich – und den künftigen Führern der sozialistischen Revolution – nicht die Hände in bezug auf die Formen, die Methoden, die Art und Weise der Umwälzung, denn er wusste sehr wohl, was für eine Unmenge neuer Probleme dann erstehen wird, wie sich im Laufe der Umwälzung die gesamte Situation ändern, wie oft und wie stark sie sich im Laufe der Umwälzung ändern wird.“[134]

In den Ländern der Volksdemokratie wurde die sozialistische Wirtschaft unter günstigeren Bedingungen aufgebaut als seinerzeit in der UdSSR, die damals als einziges Land den Sozialismus errichtete. Der Sowjetunion fiel die Aufgabe zu, als erstes Land den Weg zum Sozialismus zu bahnen. Heute hat jedes sozialistische Land die Möglichkeit, die beim Aufbau des Sozialismus in der UdSSR gesammelten Erfahrungen auszunutzen.

7. Kurze Zusammenfassung

1. Die Große Sozialistische Oktoberrevolution bahnte zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit den Weg zum Sozialismus. Die historische Notwendigkeit der proletarischen Revolution ergibt sich aus dem Gesetz der unbedingten Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte. Zur revolutionären Umwandlung der kapitalistischen Gesellschaft in die sozialistische bedarf es einer Übergangsperiode. Der Staat in der Übergangsperiode ist die Diktatur des Proletariats in Form der Sowjetmacht, in Form der Volksdemokratie oder in anderer Form. Die sozialistische Nationalisierung der wichtigsten Produktionsmittel, die sich in den Händen der Ausbeuterklassen befanden, führt zur Schaffung des sozialistischen Sektors in der Wirtschaft, der die Kommandohöhen in der Volkswirtschaft umfasst.

2. Die Hauptformen der gesellschaftlichen Wirtschaft in der Übergangsperiode sind: der Sozialismus, die kleine Warenproduktion und der Kapitalismus; ihnen entsprechen die Klassen: die Arbeiterklasse, die Bauernschaft und die Bourgeoisie. Oberstes Prinzip der Diktatur des Proletariats ist das gegen die Ausbeuterklassen gerichtete Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft unter Führung der Arbeiterklasse. Der Grundwiderspruch der Übergangsperiode ist der Widerspruch zwischen dem sich entwickelnden Sozialismus und dem sterbenden Kapitalismus. Die Einschränkung und Verdrängung sowie die darauf folgende Liquidierung der kapitalistischen Elemente erfolgt in erbittertem Klassenkampf.

3. Die Wirtschaftspolitik der proletarischen Diktatur in der Übergangsperiode ist auf den Sieg der sozialistischen Elemente über die kapitalistischen Elemente und auf den Aufbau der sozialistischen Wirtschaft unter Ausnutzung der Warenproduktion und des Marktes gerichtet. Diese Politik sichert den ökonomischen Zusammenschluss der sozialistischen Industrie mit der bäuerlichen Wirtschaft, die sozialistische Industrialisierung des Landes und die Kollektivierung der Landwirtschaft.

4. In der Übergangsperiode treten die ökonomischen Gesetze des Kapitalismus, die die Ausbeutungsverhältnisse ausdrücken, in dem Maße vom Schauplatz ab, wie sich der Sozialismus entwickelt und festigt und die kapitalistischen Elemente überwunden werden. Wertgesetz, Handel, Geld und Kredit werden in zunehmendem Maße von der proletarischen Macht für die Überwindung des Kapitalismus im Interesse des sozialistischen Aufbaus genutzt. Die ökonomischen Gesetze des Sozialismus, auf die sich der proletarische Staat stützt, entstehen und erweitern allmählich ihren Wirkungsbereich.