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Die Wirtschaftskrisen

1. Die Grundlage der kapitalistischen Überproduktionskrisen.
2. Der zyklische Charakter der kapitalistischen Reproduktion.
3. Die Agrarkrisen.
4. Die Krisen und die Verschärfung der Widersprüche des Kapitalismus.
5. Die geschichtliche Entwicklungstendenz des Kapitalismus. Das Proletariat als Totengräber des Kapitalismus.
6. Kurze Zusammenfassung

1. Die Grundlage der kapitalistischen Überproduktionskrisen.

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts, seit der Entstehung der maschinellen Großindustrie, wird der Gang der erweiterten kapitalistischen Reproduktion periodisch durch Wirtschaftskrisen unterbrochen.

Die kapitalistischen Krisen sind Überproduktionskrisen. Die Krise drückt sich vor allem darin aus, dass die Waren keinen Absatz finden, weil mehr Waren produziert worden sind, als abgesetzt werden können. In den Lagern stauen sich Waren„überschüsse“. Die Kapitalisten schränken die Produktion ein und werfen die Arbeiter auf die Straße. Hunderte und Tausende von Betrieben werden geschlossen. Die Arbeitslosigkeit steigt rapide. Viele Kleinproduzenten in Stadt und Land werden ruiniert. Das Fehlen von Absatzmöglichkeiten für die erzeugten Waren führt zu einer Zerrüttung des Handels. Die Kreditbeziehungen werden gestört. Die Kapitalisten haben einen großen Bargeldmangel und können die fälligen Forderungen nicht begleichen. Es kommt zu Börsenkrachs, die Kurse der Aktien, Obligationen und anderen Wertpapiere fallen rapide. Eine Welle von Bankrotten überflutet die Industriebetriebe, die Handels- und Bankfirmen.

„Der Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise besteht aber gerade in ihrer Tendenz zur absoluten Entwicklung der Produktivkräfte, die beständig in Konflikt gerät mit den spezifischen Produktionsbedingungen, worin sich das Kapital bewegt und allein bewegen kann.

Es werden nicht zuviel Lebensmittel produziert im Verhältnis zur vorhandnen Bevölkerung. Umgekehrt. Es werden zuwenig produziert, um der Masse der Bevölkerung anständig und menschlich zu genügen.

Es werden nicht zuviel Produktionsmittel produziert, um den arbeitsfähigen Teil der Bevölkerung zu beschäftigen. Umgekehrt. Es wird erstens ein zu großer Teil der Bevölkerung produziert, der tatsächlich nicht arbeitsfähig, der durch seine Umstände auf Ausbeutung der Arbeit andrer angewiesen ist oder auf Arbeiten, die nur innerhalb einer miserablen Produktionsweise als solche gelten können. Es werden zweitens nicht genug Produktionsmittel produziert, damit die ganze arbeitsfähige Bevölkerung unter den produktivsten Umständen arbeite, also ihre absolute Arbeitszeit verkürzt würde durch die Masse und Effektivität des während der Arbeitszeit angewandten konstanten Kapitals.

Aber es werden periodisch zuviel Arbeitsmittel und Lebensmittel produziert, um sie als Exploitationsmittel der Arbeiter zu einer gewissen Rate des Profits fungieren zu lassen. Es werden zuviel Waren produziert, um den in ihnen enthaltnen Wert und darin eingeschlossnen Mehrwert unter den durch die kapitalistische Produktion gegebnen Verteilungsbedingungen und Konsumtionsverhältnissen realisieren und in neues Kapital rückverwandeln zu können, d.h. um diesen Prozess ohne beständig wiederkehrende Explosionen auszuführen.

Es wird nicht zuviel Reichtum produziert. Aber es wird periodisch zuviel Reichtum in seinen kapitalistischen, gegensätzlichen Formen produziert.

Die Schranke der kapitalistischen Produktionsweise tritt hervor:

1. Darin, daß die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit im Fall der Profitrate ein Gesetz erzeugt, das ihrer eignen Entwicklung auf einen gewissen Punkt feindlichst gegenübertritt und daher beständig durch Krisen überwunden werden muß.

2. Darin, daß die Aneignung unbezahlter Arbeit und das Verhältnis dieser unbezahlten Arbeit zur vergegenständlichten Arbeit überhaupt, oder, kapitalistisch ausgedrückt, daß der Profit und das Verhältnis dieses Profits zum angewandten Kapital, also eine gewisse Höhe der Profitrate über Ausdehnung oder Beschränkung der Produktion entscheidet, statt des Verhältnisses der Produktion zu den gesellschaftlichen Bedürfnissen, zu den Bedürfnissen gesellschaftlich entwickelter Menschen. Es treten daher Schranken für sie ein schon auf einem Ausdehnungsgrad der Produktion, der umgekehrt unter der andren Voraussetzung weitaus ungenügend erschiene. Sie kommt zum Stillstand, nicht wo die Befriedigung der Bedürfnisse, sondern wo die Produktion und Realisierung von Profit diesen Stillstand gebietet.“[88]

Wie schon oben (in Kapitel 5) gezeigt wurde, schließt bereits die einfache Warenproduktion und Zirkulation die Möglichkeit der Krisen ein. Unvermeidlich werden die Krisen aber erst im Kapitalismus, in dem die Vergesellschaftung der Produktion voranschreitet, während das Produkt der vergesellschafteten Arbeit vieler Tausend und Millionen Arbeiter weiterhin von den Kapitalisten privat angeeignet wird. Der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Form der Aneignung der Produktionsergebnisse ist der Grundwiderspruch des Kapitalismus. Dieser Widerspruch bildet die Grundlage der ökonomischen Überproduktionskrisen. Die Unvermeidlichkeit der Krisen liegt im System der kapitalistischen Wirtschaft selbst.

Der Grundwiderspruch des Kapitalismus stellt sich dar als Gegensatz zwischen der Organisation der Produktion in der einzelnen Fabrik und der Anarchie der Produktion in der ganzen Gesellschaft. In jeder einzelnen Fabrik ist die Arbeit organisiert und dem einheitlichen Willen des Unternehmers untergeordnet. Doch in der Gesellschaft als Ganzem herrscht infolge der Herrschaft des Privateigentums an den Produktionsmitteln eine Anarchie der Produktion, die jede planmäßige Entwicklung der Wirtschaft ausschließt. Die Erweiterung der Produktion geht ungleichmäßig vor sich, so dass die alten Proportionen zwischen den Produktionszweigen ständig gestört werden, während sich die Herstellung neuer Proportionen nur elementar, durch Übertragung von Kapital aus einem Zweig in den anderen vollzieht. Deshalb ist Proportionalität zwischen den einzelnen Zweigen eine zufällige Erscheinung, die ständige Störung der Proportionalität aber die allgemeine Regel der kapitalistischen Reproduktion.

Die Kapitalisten erweitern auf der Jagd nach Maximalprofit die Produktion, entwickeln die Technik, führen neue Maschinen ein und werfen riesige Warenmassen auf den Markt. In derselben Richtung wirkt auch der ständige, durch das Wachstum der organischen Zusammensetzung des Kapitals hervorgerufene tendenzielle Fall der Profitrate. Die Unternehmer sind bestrebt, den Fall der Profitrate durch eine Erhöhung der Profitmasse zu kompensieren, indem sie die Produktion erweitern und größere Warenmengen erzeugen. Dem Kapitalismus ist somit die Tendenz eigen, die Produktion zu erweitern, die Produktionskapazitäten gewaltig zu steigern. Doch durch das Sinken des Reallohns, das Steigen der Arbeitslosigkeit und den Ruin der Bauernschaft verringert sich relativ die zahlungsfähige Nachfrage der Werktätigen, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung jedoch stetig zunimmt. Infolgedessen stößt die Erweiterung der kapitalistischen Produktion unweigerlich auf die engen Schranken des Konsums der Bevölkerungsmassen.

„Die Basis der Krise liegt in dem Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der kapitalistischen Form der Aneignung der Produktionsergebnisse. Ausdruck dieses Grundwiderspruchs des Kapitalismus ist der Widerspruch zwischen dem kolossalen Anwachsen der Produktionskapazitäten des Kapitalismus, die auf die Erzielung eines Maximums kapitalistischen Profits berechnet sind, und dem relativen Rückgang der zahlungsfähigen Nachfrage seitens der Millionenmassen der Werktätigen, deren Lebenshaltung die Kapitalisten ständig in den Schranken des äußersten Minimums zu halten suchen.“[89]

Der Grundwiderspruch des Kapitalismus tritt als Klassenantagonismus zwischen Proletariat und Bourgeoisie zutage. Kennzeichnend für den Kapitalismus ist die Trennung der zwei wichtigsten Produktionsbedingungen: der Produktionsmittel, die in den Händen der Kapitalisten konzentriert sind, von den unmittelbaren Produzenten, die nichts besitzen als ihre Arbeitskraft. Diese Trennung tritt in den Überproduktionskrisen drastisch zutage, wenn ein fehlerhafter Kreislauf entsteht: einerseits Überfluss von Produktionsmitteln und Produkten, anderseits Überfluss von Arbeitskräften, Arbeitslosenmassen ohne Existenzmittel.

Die Krisen sind ein unvermeidlicher Begleiter der kapitalistischen Produktionsweise. Um die Krisen abzuschaffen, muss man den Kapitalismus abschaffen.

2. Der zyklische Charakter der kapitalistischen Reproduktion.

Die kapitalistischen Überproduktionskrisen wiederholen sich in bestimmten Zeitabständen, und zwar alle 8 bis 12 Jahre. Partielle Überproduktionskrisen, die einzelne Industriezweige trafen, traten in England bereits um die Wende des 18. Jahrhunderts auf. Die erste Industriekrise, die die Wirtschaft eines ganzen Landes erfasste, brach 1825 in England aus. Die Krise von 1836 begann in England und breitete sich dann auch auf die USA aus. Die Krise 1847/48, die die USA und eine Reihe von europäischen Ländern erfasste, war die erste Weltkrise. Die Krise von 1857 traf die wichtigsten Länder Europas und Amerikas. Ihr folgten die Krisen von 1865, 1873, 1882 und 1890. Die schwerste davon war die Krise von 1873, die den Beginn des Übergangs vom vormonopolistischen zum monopolistischen Kapitalismus anzeigte. Im 20. Jahrhundert traten Krisen auf: 1900-1903 (diese Krise begann in Russland, wo ihre Wirkung bedeutend stärker war als in irgendeinem anderen Land), 1907, 1920/21, 1929-1933, 1937/38 und 1948/49.

Die Zeitspanne vom Beginn einer Krise bis zum Beginn der nächsten heißt Zyklus. Der Zyklus besteht aus vier Phasen: Krise, Depression, Belebung und Aufschwung. Die Hauptphase des Zyklus ist die Krise, die der Ausgangspunkt eines neuen Zyklus ist.

Die Krise ist die Phase des Zyklus, in der der Widerspruch zwischen dem Wachstum der Produktionskapazitäten und dem relativen Rückgang der zahlungsfähigen Nachfrage in stürmischer und verheerender Form zutage tritt. Diese Phase des Zyklus ist gekennzeichnet durch Überproduktion von Waren, die keinen Absatz finden, durch jähen Preissturz, durch starken Mangel an Zahlungsmitteln und durch Börsenkrachs, die Massenbankrotte nach sich ziehen, durch schroffe Einschränkung der Produktion, schnell zunehmende Arbeitslosigkeit und rapides Sinken des Arbeitslohns. Die Entwertung der Waren, die Arbeitslosigkeit, die direkte Vernichtung von Maschinen, Ausrüstungen und ganzen Unternehmen - das alles bedeutet riesenhafte Zerstörung von Produktivkräften der Gesellschaft. Durch den Ruin und den Untergang vieler Unternehmen, durch die Zerstörung eines Teiles der Produktivkräfte passt die Krise gewaltsam - aber nur auf eine ganz kurze Zeit - die Ausmaße der Produktion der zahlungsfähigen Nachfrage an. „Die Krisen sind immer nur momentane gewaltsame Lösungen der vorhandnen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wieder herstellen.“[90]

Die Depression ist die Phase des Zyklus, die unmittelbar auf die Krise folgt. Sie ist gekennzeichnet durch Stagnation der industriellen Produktion, niedrige Warenpreise, matte Handelstätigkeit und Überfluss an freiem Geldkapital. In der Depression werden die Voraussetzungen für die darauf folgende Belebung und den Aufschwung geschaffen. Die angesammelten Warenvorräte werden teils zerstört, teils zu herabgesetzten Preisen verkauft. Die Kapitalisten versuchen durch Herabsetzung der Produktionskosten einen Ausweg aus der Stagnation zu finden. Dieses Ziel erreichen sie 1. durch hochgradige Ausbeutung der Arbeiter, durch weitere Herabdrückung des Arbeitslohns und Steigerung der Arbeitsintensität; 2. durch Neuausrüstung der Betriebe, Erneuerung des fixen Kapitals und Einführung technischer Verbesserungen, die das Ziel haben, die Produktion ungeachtet der durch die Krise bedingten niedrigen Preise gewinnbringend zu machen. Die Erneuerung des fixen Kapitals gibt einer Reihe von Zweigen den Anstoß zur Steigerung der Produktion. Die Unternehmen, die Maschinen produzieren, erhalten Aufträge und melden ihrerseits Bedarf an Rohstoffen und Material aller Art an. Allmählich geht die Depression in die Belebung über.

Die Belebung ist die Phase des Zyklus, in der die Unternehmen, die die Krise überstanden haben, sich von der Erschütterung erholen und mit der Erweiterung der Produktion beginnen. Nach und nach erreicht die Produktion ihren früheren Stand, die Preise steigen, die Profite wachsen. Die Belebung geht in den Aufschwung über.

Der Aufschwung ist die Phase des Zyklus, in der die Produktion den vor der Krise im vorangegangenen Zyklus erreichten Höchststand überschreitet. Während des Aufschwungs werden neue Industrieunternehmen gebaut. Die Preise steigen, die Kaufleute kaufen soviel Waren wie möglich in der Hoffnung auf weitere Preissteigerungen und veranlassen so die Industriellen zu noch größerer Erweiterung der Produktion. Die Banken gewähren den Industriellen und Kaufleuten bereitwillig Kredite. Das alles ermöglicht die Ausdehnung der Produktion und des Handels weit über den Rahmen der zahlungsfähigen Nachfrage hinaus. So werden die Voraussetzungen für die nächste Überproduktionskrise geschaffen.

Vor dem Ausbruch der Krise erreicht die Produktion ihren Höchststand, die Absatzmöglichkeiten scheinen jedoch noch größer zu sein. Es besteht bereits Überproduktion, jedoch in versteckter Form. Die Spekulation treibt die Preise hoch und bläht die Nachfrage nach Waren maßlos auf. Es sammeln sich Überschüsse von Waren an. Der Kredit verbirgt in noch größerem Maße die Überproduktion: die Banken fahren fort, der Industrie und dem Handel Kredite zu gewähren, und unterstützen damit künstlich die Erweiterung der Produktion. Wenn die Überproduktion ihren höchsten Stand erreicht hat, bricht die Krise aus. Und dann wiederholt sich der ganze Zyklus.

Die Krise bildet den Ausgangspunkt einer großen Neuanlage von Kapital. Um die Rentabilität ihrer Unternehmen angesichts des schroffen Preissturzes wiederherzustellen, sind die Kapitalisten gezwungen, neben der verstärkten Ausbeutung der Arbeiter neue Technik, neue Produktionsmethoden einzuführen. Es findet eine massenhafte Erneuerung des fixen Kapitals statt. In den entscheidenden Zweigen der Großindustrie beträgt die Lebensdauer der wichtigsten Produktionsmittel - wenn man nicht nur den physischen, sondern auch den moralischen Verschleiß in Betracht zieht - im Durchschnitt etwa 10 Jahre. Damit ist die materielle Grundlage der Periodizität der Krisen gegeben, die sich in der Geschichte des Kapitalismus regelmäßig wiederholen.

Jede Krise bereitet den Boden für neue, noch tiefere Krisen vor; infolgedessen wächst mit der Entwicklung des Kapitalismus ihre Zerstörungskraft und Schärfe.

3. Die Agrarkrisen.

Die kapitalistischen Überproduktionskrisen, von denen Arbeitslosigkeit, Sinken des Arbeitslohns und Verringerung der zahlungsfähigen Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen hervorgerufen werden, führen unausweichlich zu einer partiellen oder allgemeinen Überproduktion in der Landwirtschaft. Die Überproduktionskrisen in der Landwirtschaft heißen Agrarkrisen. Die Unvermeidlichkeit der Agrarkrisen ist durch den gleichen Grundwiderspruch des Kapitalismus bedingt, der auch die Grundlage der industriellen Krisen bildet.

Gleichzeitig weisen die Agrarkrisen aber auch gewisse Besonderheiten auf: sie sind gewöhnlich langwieriger, schleppender als die industriellen Krisen.

Der langwierige Charakter der Agrarkrisen hat folgende Hauptursachen:

1. zwingt das Monopol des privaten Grundeigentums die Pächter, während der Agrarkrisen die vertraglich festgesetzte Pacht in gleicher Höhe zu zahlen. Bei sinkenden Preisen für landwirtschaftliche Waren wird die Grundrente mit Hilfe des weiteren Abbaus der Löhne der Landarbeiter sowie auf Kosten des Profits, manchmal sogar auf Kosten des vorgeschossenen Kapitals der Pächter aufgebracht. Infolgedessen ist die Überwindung der Krise durch Einführung vervollkommneter Technik und durch Herabsetzung der Produktionskosten außerordentlich erschwert.

2.ist die Landwirtschaft im Kapitalismus, verglichen mit der Industrie, ein rückständiger Zweig. Das private Grundeigentum, die Überreste feudaler Verhältnisse und die Notwendigkeit, den Grundeigentümern absolute Grundrente und Differentialrente zu zahlen - das alles hemmt den freien Zustrom von Kapital in die Landwirtschaft und die Entwicklung der Produktivkräfte. Die organische Zusammensetzung des Kapitals ist in der Landwirtschaft niedriger als in der Industrie; das fixe Kapital, dessen massenhafte Erneuerung die materielle Grundlage der Periodizität der Industriekrisen bildet, spielt in der Landwirtschaft eine viel geringere Rolle als in der Industrie.

3.versuchen die kleinen Warenproduzenten, die Bauern, während der Krisen den bisherigen Produktionsumfang aufrechtzuerhalten, um sich auf ihrem eigenen oder gepachteten Fleckchen Land um jeden Preis zu behaupten - durch Überarbeit, Unterernährung, Raubbau am Boden und am Vieh. Das verstärkt die Überproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse noch mehr.

4. Die Krisen und die Verschärfung der Widersprüche des Kapitalismus.

Die Wirtschaftskrisen, in denen alle Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise zum gewaltsamen Ausbruch kommen, führen zur weiteren Vertiefung und Verschärfung dieser Widersprüche.

In der Regel haben die kapitalistischen Überproduktionskrisen allumfassenden Charakter. In irgendeinem Produktionszweig beginnend, erfassen sie schnell die gesamte Volkswirtschaft. Sie entstehen zuerst in einem Land oder in einigen Ländern und breiten sich auf die ganze kapitalistische Welt aus.

Jede Krise führt zu einer starken Einschränkung der Produktion, zum Fallen der Großhandelspreise und der Börsenkurse, zu einem Rückgang des Binnen- und Außenhandels.

In jeder Krise sinkt die Produktion auf einen bereits vor Jahren erreichten Stand.

Im 19. Jahrhundert wurde während der Krisen das Wirtschaftsleben der kapitalistischen Länder um 3 bis 5 Jahre, im 20. Jahrhundert wird es bereits um Jahrzehnte zurückgeworfen.

Die Kohlenförderung in den USA fiel während der Krisen: 1873 um 9,1%, 1882 um 7,5%, 1893 um 6,4%, 1907 um 13,4%, 1920/21 um 27,5% und 1929-1933 um 40,9 %. Die Roheisenerzeugung sank in den USA während der Krisen: 1873 um 27%, 1882 um 12,5%, 1893 um 27,3%, 1907 um 38,2%, 1920/21 um 54,8% und 1929-1933 um 79,4%.

In Deutschland fiel der Gesamtumfang der Industrieproduktion während der Krisen: 1873 um 6,1%, 1890 um 3,4%, 1907 um 6,5% und 1929-1933 um 40,6%.

Die Wirtschaftskrisen führen den räuberischen Charakter des Kapitalismus klar vor Augen. In jeder Krise werden bei äußerster Not von Millionen zu Elend und Hunger verdammter Menschen riesige Warenmengen vernichtet, die keinen Absatz finden - Weizen, Kartoffeln, Milch, Vieh, Baumwolle. Ganze Fabriken, Werften und Hochöfen werden stillgelegt oder abgerissen. Die Saaten von Getreide und gewerblichen Nutzpflanzen werden vernichtet und Obstplantagen abgeholzt.

In drei Jahren der Krise 1929-1933 wurden in den USA 92, in England 72, in Deutschland 28, in Frankreich 10 Hochöfen abgerissen. Die Tonnage der in diesen Jahren vernichteten Hochseeschiffe betrug über 6,5 Millionen Registertonnen.

Von 1926 bis 1937 wurden in den USA mehr als 2 Millionen Farmen wegen Verschuldung zwangsversteigert Das Einkommen der Landwirtschaft ging von 6,8 Milliarden Dollar im Jahre 1929 auf 2,4 Milliarden Dollar im Jahre 1932 zurück. Die Regierung der USA unternahm alles, um die landwirtschaftliche Produktion einzuschränken. Im Jahre 1933 wurden 10,4 Millionen Acres Baumwollsaaten durch Umpflügen vernichtet sowie 6,4 Millionen Schweine aufgekauft und vernichtet. Weizen wurde zur Feuerung von Lokomotiven verwandt. In Brasilien wurden etwa 22 Millionen Sack Kaffee vernichtet, in Dänemark 117000 Stück Vieh.

Die Krisen bringen der Arbeiterklasse, den breiten Bauernmassen sowie allen übrigen Werktätigen unermessliche Not. Sie erzeugen Massenarbeitslosigkeit, die Hunderttausende und Millionen von Menschen zu erzwungener Untätigkeit, zu Elend und Hunger verurteilt. Die Kapitalisten benutzen die Arbeitslosigkeit dazu, um die Ausbeutung der Arbeiterklasse auf jede Weise zu steigern und das Lebensniveau der Werktätigen schroff zu senken.

Die Krisen verstärken in hohem Grad die Existenzunsicherheit der Werktätigen, ihre Furcht vor dem morgigen Tag. Die Proletarier, die jahrelang keine Arbeit finden, verlieren ihre Arbeitsfertigkeit; nach der Krise können viele von ihnen schon nicht mehr in die Produktion zurückkehren. Bis aufs äußerste verschlechtern sich die Wohnbedingungen der Werktätigen, es wächst die Zahl der Obdachlosen, die auf Arbeitsuche im Lande umherziehen. Während der Krisen geht die Zahl der Selbstmorde zur Verzweiflung getriebener Menschen rapide in die Höhe, wachsen Elend und Kriminalität.

Die Krisen führen zu einer Verschärfung der Klassengegensätze zwischen Proletariat und Bourgeoisie, zwischen den breiten Massen der Bauernschaft und den sie ausbeutenden Grundbesitzern, Wucherern und Großbauern. In der Krise verliert die Arbeiterklasse viele Errungenschaften, die sie in langwierigem, hartem Kampf gegen die Ausbeuter und den bürgerlichen Staat erkämpft hat. Das zeigt den Arbeitern, dass der einzige Weg der Rettung aus Elend und Hunger der Sturz der Macht der Bourgeoisie, die Beseitigung der kapitalistischen Lohnsklaverei ist. Die Unfähigkeit der Bourgeoisie, die Produktivkräfte der Gesellschaft zu lenken, untergräbt den Glauben breiter Bevölkerungsschichten an die Unerschütterlichkeit der kapitalistischen Ordnung. Deren tatsächliche Beseitigung setzt indessen voraus, dass Klassenbewusstsein und revolutionäre Entschlossenheit breiteste Massen des Proletariats durchdringt, die von den Krisen zu größten Entbehrungen verdammt werden.

Der bürgerliche Staat kommt während der Krisen den Kapitalisten mit Subventionen zu Hilfe, für die letzten Endes die werktätigen Massen aufkommen müssen. Unter Ausnutzung des Gewalt- und Zwangsapparats hilft der Staat den Kapitalisten, das Lebensniveau der Arbeiterklasse und der Bauernschaft herabzudrücken. Das alles verstärkt die Verelendung der werktätigen Massen. Gleichzeitig offenbaren die Krisen die völlige Unfähigkeit des bürgerlichen Staates, der elementar wirkenden Gesetze des Kapitalismus in irgendeinem Maße Herr zu werden. In den kapitalistischen Ländern lenkt nicht der Staat die Wirtschaft, sondern umgekehrt, der Staat selbst befindet sich in der Gewalt der kapitalistischen Wirtschaft, ist dem Großkapital untergeordnet.

Die Krisen zeigen mit aller Deutlichkeit, dass den vom Kapitalismus geschaffenen Produktivkräften der Rahmen der bürgerlichen Produktionsverhältnisse zu eng geworden ist und dass die letzteren zu einem Hemmschuh für das weitere Wachstum der Produktivkräfte geworden sind.

„Die Krise zeigt, dass die heutige Gesellschaft unvergleichlich mehr Produkte für die Verbesserung des Lebens des gesamten werktätigen Volkes erzeugen könnte, wenn nicht ein kleines Häuflein Privateigentümer, die am Elend des Volkes Millionen verdienen, den Grund und Boden, die Fabriken, Maschinen usw. an sich gerissen hätten.“[91] Jede Krise beschleunigt den Niedergang der kapitalistischen Produktionsweise.

5. Die geschichtliche Entwicklungstendenz des Kapitalismus. Das Proletariat als Totengräber des Kapitalismus.

Seitdem der Kapitalismus zur herrschenden Gesellschaftsordnung geworden ist, hat die Konzentration des Eigentums in wenigen Händen Riesenschritte gemacht. Die Entwicklung des Kapitalismus führt zum Ruin der kleinen Produzenten, die in das Heer der Lohnarbeiter eingereiht werden. Der Konkurrenzkampf unter den Kapitalisten verschärft sich immer mehr, je ein Kapitalist schlägt viele tot. Die Konzentration des Kapitals bedeutet die Anhäufung riesiger Reichtümer in den Händen eines relativ (gemessen an der Gesamtbevölkerung) immer kleiner werdenden Personenkreises.

Mit der Entwicklung der Großproduktion bringt der Kapitalismus zugleich seinen Totengräber hervor in Gestalt des Proletariats, das als Leiter und Führer aller werktätigen und ausgebeuteten Massen auftritt. Voraussetzung für den siegreichen Kampf des Proletariats ist, dass es sich seines „geschichtlichen Berufs“[92] bewusst wird und zum Kampf organisiert. Die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft, mit der eine Verschärfung der ihr innewohnenden antagonistischen Widersprüche und des Klassenkampfes einhergeht, schafft die notwendigen Voraussetzungen für den Sieg des Proletariats über die Bourgeoisie.

Der theoretische Ausdruck der Grundinteressen der Arbeiterklasse ist der Marxismus, der wissenschaftliche Sozialismus, der eine in sich geschlossene und harmonische Weltanschauung ist. Der wissenschaftliche Sozialismus lehrt das Proletariat, sich zum Klassenkampf gegen die Bourgeoisie zu vereinen. Die Klasseninteressen des Proletariats fallen mit den Interessen der Vorwärtsentwicklung der menschlichen Gesellschaft zusammen, sie stimmen mit den Interessen der überwältigenden Mehrheit der Gesellschaft überein, denn die proletarische Revolution bedeutet nicht die Beseitigung dieser oder jener Ausbeutungsform, sondern die Beseitigung jeder Ausbeutung überhaupt.

Wenn im Kapitalismus wenige Usurpatoren in Gestalt der Kapitalisten und Grundbesitzer die Volksmassen expropriiert haben, so führt die Entwicklung des Kapitalismus mit Notwendigkeit zur Expropriation der wenigen Usurpatoren durch die Volksmassen. Diese Aufgabe erfüllt die sozialistische Revolution, die die Produktionsmittel vergesellschaftet und den Kapitalismus mit seinen Krisen, mit Arbeitslosigkeit und Massenelend liquidiert.

„Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert."[93]

Das ist die geschichtliche Tendenz der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise.

6. Kurze Zusammenfassung

1. Die Wirtschaftskrisen sind Krisen der Überproduktion. Die Grundlage der Krisen ist der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Form der Aneignung der Arbeitserzeugnisse. Erscheinungsformen dieses Widerspruchs sind 1. der Gegensatz zwischen der Organisation der Produktion innerhalb der einzelnen kapitalistischen Betriebe und der Anarchie der Produktion in der ganzen Gesellschaft, und 2. der Widerspruch zwischen dem gewaltigen Wachstum der Produktionsmöglichkeiten des Kapitalismus und der relativen Verringerung der zahlungsfähigen Nachfrage seitens der werktätigen Massen. Der Grundwiderspruch des Kapitalismus tritt im Klassenantagonismus zwischen Proletariat und Bourgeoisie zutage.

2. Die Periode vom Beginn einer Krise bis zum Beginn der nächsten Krise heißt Zyklus. Der Zyklus besteht aus folgenden Phasen: Krise, Depression, Belebung und Aufschwung. Die materielle Grundlage der Periodizität der kapitalistischen Krisen ist die periodische Erneuerung des fixen Kapitals. Mit den industriellen Krisen verflechten sich die Agrarkrisen, die sich infolge des Monopols des privaten Grundeigentums und der Rückständigkeit der Landwirtschaft im Kapitalismus durch einen langwierigen Charakter auszeichnen.

3. Die kapitalistischen Krisen bedeuten eine gigantische Vernichtung von Produktivkräften. Sie bringen den werktätigen Massen unermessliche Not. In den Krisen kommt der historisch beschränkte Charakter der bürgerlichen Gesellschaftsordnung, die Unfähigkeit des Kapitalismus zur weiteren Lenkung der aus seinem Schoß hervorgewachsenen Produktivkräfte besonders krass zum Ausdruck. Um die Krisen zu vernichten, muss man den Kapitalismus vernichten.

4. Die geschichtliche Entwicklungstendenz des Kapitalismus besteht darin, dass er einerseits die Produktivkräfte entwickelt und die Produktion vergesellschaftet und damit die materiellen Voraussetzungen für den Sozialismus schafft, während er anderseits seinen Totengräber hervorbringt in Gestalt des Proletariats, das den revolutionären Kampf aller Werktätigen für die Befreiung vom Joch des Kapitals organisiert und führt.