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Die Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals

1. Das gesellschaftliche Gesamtkapital. Die Zusammensetzung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts.
2. Bedingungen der Realisierung bei einfacher kapitalistischer Reproduktion.
3. Bedingungen der Realisierung bei erweiterter kapitalistischer Reproduktion.
4. Das Marktproblem. Die Widersprüche der kapitalistischen Reproduktion.
5. Kurze Zusammenfassung

1. Das gesellschaftliche Gesamtkapital. Die Zusammensetzung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts.

Die kapitalistische Reproduktion umfasst sowohl den unmittelbaren Produktionsprozess wie die beiden Phasen des Zirkulationsprozesses.

Damit die Reproduktion vor sich gehen kann, muss es dem Kapital möglich sein, seinen Kreislauf ohne Unterbrechung zu durchlaufen, d.h. aus der Geldform in die produktive, aus der produktiven in die Warenform, aus der Warenform in die Geldform usw. überzugehen. Das gilt nicht nur für jedes individuelle Kapital, sondern auch für das gesellschaftliche Gesamtkapital als die Gesamtheit aller in der Gesellschaft existierenden Kapitale. „Die Kreisläufe der individuellen Kapitale verschlingen sich ... ineinander, setzen sich voraus und bedingen einander, und bilden gerade in dieser Verschlingung die Bewegung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals.“[69]

Das gesellschaftliche Kapital ist die Gesamtheit der individuellen Kapitale in ihrer gegenseitigen Verknüpfung und Abhängigkeit. Zwischen den einzelnen kapitalistischen Unternehmen besteht ein vielseitiger Zusammenhang: die einen Unternehmen liefern den andern Maschinen, Rohstoffe und andere Produktionsmittel, andere erzeugen die Konsumtionsmittel, die von den Arbeitern, und die Konsumtionsmittel und Luxusgegenstände, die von den Kapitalisten gekauft werden. Jedes der individuellen Kapitale ist den andern gegenüber selbständig, doch gleichzeitig sind alle miteinander verknüpft. Dieser Widerspruch tritt in der Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals an den Tag. Infolge der dem Kapitalismus eigenen Anarchie der Produktion können sich die vielseitigen Verbindungen zwischen den einzelnen Kapitalisten nur vermittels der Konkurrenz, d.h. spontan über den Markt offenbaren.

Bei Betrachtung des Prozesses der Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals setzen wir, um die Frage nicht zu komplizieren, voraus, dass die ganze Wirtschaft des Landes kapitalistisch geführt wird (dass die Gesellschaft also nur aus Kapitalisten und Arbeitern besteht) und dass das gesamte konstante Kapital im Laufe eines Jahres verbraucht und sein Wert vollständig auf das Jahresprodukt übertragen wird.

Das gesellschaftliche Gesamtprodukt ist nichts anderes als das gesellschaftliche Kapital (mit einem Zuwachs in Gestalt des Mehrwerts), das in Warenform aus dem Produktionsprozess hervorgegangen ist.

Damit die Produktion fortgesetzt werden kann, muss das gesellschaftliche Produkt realisiert, d.h. verkauft werden. Die Realisierung des gesellschaftlichen Produkts ist seine Verwandlung aus der Warenform in die Geldform.

Wie weiter oben gezeigt wurde, zerfällt das gesellschaftliche Gesamtprodukt dem Wert nach in drei Bestandteile: der erste ersetzt das konstante Kapital, der zweite ersetzt das variable Kapital, der dritte stellt Mehrwert dar. Somit ist der Wert des gesellschaftlichen Produkts gleich c + v + m. Bei Realisierung der erzeugten Waren müssen die Kapitalisten deren Wert erhalten, weil sie nur unter dieser Voraussetzung die Produktion aufs neue aufnehmen können. Die Einteilung des gesellschaftlichen Produkts nach dem Wert bedeutet, dass seine verschiedenen Bestandteile eine unterschiedliche Rolle in der Reproduktion spielen. Das konstante Kapital muss weiter im Produktionsprozess verbleiben. Das variable Kapital wird in Arbeitslohn umgesetzt, den die Arbeiter für Konsumtionszwecke verausgaben. Der Mehrwert wird bei einfacher Reproduktion von den Kapitalisten ganz verzehrt, bei erweiterter Reproduktion von den Kapitalisten teilweise verzehrt und teilweise für den Ankauf zusätzlicher Produktionsmittel und die Bezahlung zusätzlicher Arbeitskräfte verwendet, also akkumuliert.

Seiner Naturalform nach besteht das gesellschaftliche Gesamtprodukt aus Produktions- und Konsumtionsmitteln. Bei der Betrachtung des Kreislaufs und Umschlags des individuellen Kapitals war die Naturalform der im Unternehmen erzeugten Waren (die Masse ihrer Gebrauchswerte) gleichgültig. Bei der Betrachtung der Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals muss die Naturalform der in der Gesellschaft produzierten Waren mit in die Betrachtung gezogen werden, denn für die ununterbrochene Erneuerung des Produktionsprozesses ist erforderlich, dass, im gesellschaftlich Durchschnitt betrachtet, sowohl genügend Produktionsmittel als auch genügend Konsumtionsmittel vorhanden sind. Die gesellschaftliche Gesamtproduktion zerfällt in zwei große Abteilungen: Abteilung I – Produktion von Produktionsmitteln, und Abteilung II – Produktion von Konsumtionsmitteln. Die Konsumtionsmittel zerfallen ihrerseits in notwendige Existenzmittel, die die Bedürfnisse der Arbeiterklasse, der werktätigen Massen befriedigen, und in Luxusgegenstände, die sich nur die Ausbeuterklassen leisten können.

Die Einteilung des gesellschaftlichen Produkts nach der Naturalform weist seinen verschiedenen Bestandteilen eine unterschiedliche Rolle im Reproduktionsprozess zu. So können zum Beispiel Webstühle nur für die Herstellung von Geweben und für keine anderen Zwecke verwendet werden; andererseits müssen fertige Kleider in die individuelle Konsumtion eingehen.

Es erhebt sich die Frage: auf welche Art und Weise wird unter den anarchischen Bedingungen der kapitalistischen Produktion das gesellschaftliche Produkt realisiert? Lenin wies darauf hin: „Die Frage ist hier gerade die, wie die Realisation, das heißt der Ersatz aller Teile des gesellschaftlichen Produkts, erfolgt.“[70] Es handelt sich also darum, wie für jeden einzelnen Teil des gesellschaftlichen Produkts dem Wert nach (c + v + m) und seiner Naturalform nach (Produktionsmittel, Konsumtionsmittel) auf dem Markt ein ihn ersetzender anderer Teil des Produkts zu finden ist. Bei Betrachtung der erweiterten Reproduktion kommt hier noch die Frage hinzu wie sich der Mehrwert in Kapital verwandelt, d.h., woher die zur Erweiterung der Produktion notwendigen zusätzlichen Produktionsmittel und die Konsumtionsmittel für die zusätzlichen Arbeiter kommen.

2. Bedingungen der Realisierung bei einfacher kapitalistischer Reproduktion.

Betrachten wir zuerst die Bedingungen, die notwendig sind zur Realisierung des gesellschaftlichen Produkts bei einfacher kapitalistischer Reproduktion, bei der der gesamte Mehrwert in die individuelle Konsumtion des Kapitalisten eingeht. Das gesellschaftliche Produkt ist in Abteilung I und II (Produktionsmittel und Konsumtionsmittel) geteilt und setzt sich z.B. wie folgt zusammen:

I. 4000 c+ 1000 v+ 1000 m = 6000
II. 2000 c+500 v+500 m = 3000

Der Wert des in der Abteilung I erzeugten Gesamtprodukts, das in Gestalt von Maschinen, Rohstoffen, Material usw. besteht, beträgt 6000. Damit der Produktionsprozess erneuert werden kann, muss ein Teil dieses Produkts, der 4000 beträgt, wieder an die Unternehmen der Abteilung I zur Erneuerung des konstanten Kapitals dieser Abteilung verkauft werden. Der restliche Produktenteil der Abteilung I, der den reproduzierten Wert des variablen Kapitals (1000) und den neuerzeugten Mehrwert (1000) darstellt und in Gestalt von Produktionsmitteln existiert, wird an die Unternehmen der Abteilung II im Austausch gegen Konsumtionsmittel verkauft, die in die individuelle Konsumtion der Arbeiter und Kapitalisten der Abteilung I eingehen. Die Kapitalisten der Abteilung II benötigen ihrerseits Produktionsmittel zu einem Betrag von 2000 zur Erneuerung ihres konstanten Kapitals.

Der Wert des in der Abteilung II erzeugten Gesamtprodukts, das in Gestalt von Konsumtionsmitteln (Brot, Fleisch, Bekleidung, Schuhwerk usw. sowie Luxusgegenständen) besteht, beträgt 3000. Ein Teil der in der Abteilung II produzierten Konsumtionsmittel in Höhe von 2000 wird gegen den Arbeitslohn und den Mehrwert der Abteilung I ausgetauscht. So wird das konstante Kapital der Abteilung II ersetzt. Der restliche Produktenteil der Abteilung II, der den reproduzierten Wert des variablen Kapitals (500) und den neuerzeugten Mehrwert (500) darstellt, wird innerhalb der Abteilung II realisiert und gelangt in die individuelle Konsumtion der Arbeiter und Kapitalisten dieser Abteilung.

Unter den Bedingungen der einfachen Reproduktion gehen also in den Umsatz zwischen den zwei Abteilungen ein: 1. das variable Kapital und der Mehrwert der Abteilung I, die gegen die in der Abteilung II produzierten Konsumtionsmittel ausgetauscht werden müssen, und 2. das konstante Kapital der Abteilung II, das gegen die in der Abteilung I erzeugten Produktionsmittel ausgetauscht wird. Voraussetzung für die Realisierung bei einfacher kapitalistischer Reproduktion ist folgende Gleichung: das variable Kapital plus Mehrwert der Abteilung I muss gleich sein dem konstanten Kapital der Abteilung II, also

I(v + m) = IIc

oder:

I(c+v+m) = Ic + IIc

Die in einem Jahr in der Abteilung I - von den Produktionsmittel herstellenden Unternehmen - erzeugte Gesamtwarenmasse muss dem Werte nach jener Produktionsmittelmasse gleich sein, die während des Jahres in den Unternehmen beider Abteilungen aufgezehrt wird. Die in einem Jahr in der Abteilung II - von den Konsumtionsmittel herstellenden Unternehmen - erzeugte Gesamtwarenmasse muss dem Werte nach gleich sein der Einkommenssumme der Arbeiter und Kapitalisten beider Abteilungen, ausgedrückt in der Gleichung:

I (m+v) + II (m+v) = II (c+v+m)

Die Darstellung der einfachen Reproduktion dient der Verdeutlichung der Grundproportionen gesellschaftlichen Produktion. Kapitalistische Produktion ist jedoch immer erweiterte Produktion.

3. Bedingungen der Realisierung bei erweiterter kapitalistischer Reproduktion.

Erweiterte kapitalistische Reproduktion setzt Akkumulation von Kapital voraus. Da das Kapital jeder Abteilung sich aus zwei Teilen, dem konstanten und dem variablen Kapital, zusammensetzt, muss auch der akkumulierte Teil des Mehrwerts in diese zwei Bestandteile zerfallen: ein Teil wird für den Ankauf zusätzlicher Produktionsmittel, ein Teil für die Bezahlung zusätzlicher Arbeitskräfte verwendet. Hieraus folgt, dass das Jahresprodukt der Abteilung I einen gewissen Überschuss über das Quantum Produktionsmittel hinaus enthalten muss, das für die einfache Reproduktion erforderlich ist. Die Summe des variablen Kapitals und des Mehrwerts der Abteilung I muss größer sein als das konstante Kapital der Abteilung II, also

I(v+m) > IIc.

Das ist die Grundlage für die kapitalistische Reproduktion.

Betrachten wir in folgendem Beispiel etwas ausführlicher die Voraussetzungen der Realisierung bei erweiterter kapitalistischer Reproduktion.[71]

I. 4000 c+ 1000 v+ 1000 m = 6000
II. 1500 c+750 v+750 m = 3000

Nehmen wir an, dass 500 aus dem Mehrwert von 1000 der Abteilung I akkumuliert werden. Entsprechend der organischen Zusammensetzung des Kapitals in der Abteilung I (4:1) zerfällt der akkumulierte Teil des Mehrwerts folgendermaßen: 400 werden für die Vergrößerung des konstanten Kapitals und 100 für die Vergrößerung des variablen Kapitals verwendet. Das zusätzliche konstante Kapital (400) ist im Produkt der Abteilung I selbst in Gestalt von Produktionsmitteln vorhanden das zusätzliche variable Kapital (100) muss von der Abteilung II eingetauscht werden, die folglich auch akkumulieren muss Die Kapitalisten der Abteilung II tauschen einen Teil ihres Mehrwerts (100) gegen Produktionsmittel ein und verwandeln diese Produktionsmittel in zusätzliches konstantes Kapital. Dann muss entsprechend der organischen Zusammensetzung des Kapitals in Abteilung II (2:1) das variable Kapital dieser Abteilung um 50 wachsen. In der Abteilung II müssen aus dem Mehrwert von 750 folglich 150 akkumuliert werden.

Wie bei der einfachen Reproduktion muss die Abteilung II von Abteilung I ihr konstantes Kapital von 1500 eintauschen. Abteilung I muss ihrerseits von Abteilung II ihr variables Kapital von 1000 und den für die Konsumtion bestimmten Mehrwertteil von 500 eintauschen.

Somit muss Abteilung I austauschen:

den Produktenteil, der den Wert des variablen Kapitals repräsentiert1000
den Teil des für die Akkumulation bestimmten Mehrwerts, der dem variablen Kapital zugeschlagen wird100
den Teil des Mehrwerts, der von den Kapitalisten konsumiert wird 500
Zusammen1600

Abteilung II muss austauschen:

das konstante Kapital 1500
den Teil des für die Akkumulation bestimmten Mehrwerts, der dem konstanten Kapital zugeschlagen wird 100
Zusammen1600

Der Austausch zwischen den beiden Abteilungen kann nur bei Gleichheit dieser Größen vonstatten gehen. Das sind die Bedingungen der Realisierung bei erweiterter kapitalistischer Reproduktion.

Bei der erweiterten Reproduktion muss die Summe des variablen Kapitals und des Mehrwerts der Abteilung I rascher wachsen als das konstante Kapital der Abteilung II, und das konstante Kapital der Abteilung I muss das Wachstum des konstanten Kapitals der Abteilung II noch schneller überflügeln.[72]

In jeder Gesellschaftsordnung drückt sich die Entwicklung der Produktivkräfte darin aus, dass der Anteil der gesellschaftlichen Arbeit, die für die Produktion von Produktionsmitteln verausgabt wird, wächst gegenüber dem Anteil der für die Produktion von Konsumtionsmitteln verausgabten Arbeit. Im Kapitalismus tritt das schnellere Wachstum der Produktion von Produktionsmitteln gegenüber der Produktion von Konsumtionsmitteln in der Form rascheren Wachstums des konstanten Kapitals gegenüber dem variablen auf, d.h. in Form steigender organischer Zusammensetzung des Kapitals. Die Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals führt unvermeidlich zu wachsender Arbeitslosigkeit und zu sinkendem Lebensniveau der Arbeiterklasse.

4. Das Marktproblem. Die Widersprüche der kapitalistischen Reproduktion.

Wie aus dem Vorangegangenen ersichtlich ist, sind für die Realisierung des gesellschaftlichen Produkts bestimmte Proportionen zwischen seinen Bestandteilen und folglich auch zwischen den Produktionszweigen und -elementen notwendig. Im Kapitalismus, wo von isolierten Produzenten, die sich von der Profitgier leiten lassen und für einen unbekannten Markt arbeiten, produziert wird, sind diese Proportionen unweigerlich ständigen Störungen unterworfen. Bei der Untersuchung der Bedingungen eines normalen Verlaufs der einfachen und erweiterten kapitalistischen Reproduktion bemerkt Marx, dass sie „...in ebenso viele Bedingungen des anormalen Verlaufs, Möglichkeiten von Krisen umschlagen, da das Gleichgewicht – bei der naturwüchsigen Gestaltung dieser Produktion – selbst ein Zufall ist“.[73] Unter den anarchischen Verhältnissen der kapitalistischen Produktion wird das gesellschaftliche Produkt nur unter Schwierigkeiten und dauernden Schwankungen realisiert, die mit dem Wachstum des Kapitalismus immer stärker werden.

Besondere Bedeutung hat dabei der Umstand, dass die Erweiterung der kapitalistischen Produktion und folglich auch die Bildung des inneren Marktes nicht so sehr auf der Linie der Konsumtionsmittel als vielmehr auf der Linie der Produktionsmittel erfolgt. Das Wachstum der Produktion von Produktionsmitteln überholt bei weitem das Wachstum der Produktion von Gegenständen der individuellen Konsumtion. In der kapitalistischen Gesamtproduktion nehmen die Konsumtionsmittel einen relativ immer kleineren Platz ein. Doch kann sich die Herstellung von Produktionsmitteln nicht ganz unabhängig von der Herstellung von Konsumtionsmitteln und ohne jeden Zusammenhang mit ihr entwickeln. Die Produktionsmittel anwendenden Betriebe werfen eine stets wachsende Warenmasse auf den Markt, die für die Konsumtion bestimmt ist. Also ist letzten Endes die produktive Konsumtion (die Konsumtion von Produktionsmitteln) stets mit der individuellen Konsumtion verknüpft, stets von ihr abhängig. Doch sind dem Umfang der individuellen Konsumtion der breiten Volksmassen in der kapitalistischen Gesellschaft außerordentlich enge Schranken gesetzt durch die Gesetze der kapitalistischen Ausbeutung, die die Verelendung der Arbeiterklasse und der Bauernschaft bewirken.

Der Zweck der kapitalistischen Produktion ist die Erzielung von Profit. Mittel zum Zweck ist die Erweiterung der Produktion. In diesem Sinne sprach Marx von der für den Kapitalismus charakteristischen „Produktion um der Produktion willen“, „Akkumulation um der Akkumulation willen“. Doch werden die Waren letzten Endes nicht für die Produktion, sondern für die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse erzeugt. Das Mittel – die Erweiterung der Produktion – gerät unweigerlich in Konflikt mit dem Zweck, der Erzielung von Profit. Dem Kapitalismus wohnt folglich ein tiefer antagonistischer Widerspruch zwischen Produktion und Konsumtion inne.

Der dem Kapitalismus innewohnende Widerspruch zwischen Produktion und Konsumtion besteht darin, dass der nationale Reichtum wächst bei wachsendem Elend der Volksmassen, dass die Produktivkräfte der Gesellschaft wachsen ohne entsprechendes Wachsen des Volkskonsums. Dieser Widerspruch ist eine der Erscheinungsformen des Grundwiderspruchs des Kapitalismus, des Widerspruchs zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Form der Aneignung.

Lenin entlarvte die Lakaien der Bourgeoisie, die die tiefen Widersprüche der kapitalistischen Realisierung zu vertuschen suchen, und unterstrich, „dass selbst bei ideal glatter und proportionaler Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals der Widerspruch zwischen dem Wachstum der Produktion und dem beschränkten Ausmaß der Konsumtion unvermeidlich ist. Außerdem verläuft jedoch in der Wirklichkeit der Realisationsprozess nicht mit ideal glatter Proportionalität, sondern nur unter ,Schwierigkeiten’, ,Schwankungen’, ‚Krisen’ usw.“[74]

Man muss den inneren Markt (den Warenabsatz innerhalb des Landes) und den Außenmarkt (Warenabsatz im Ausland) unterscheiden.

Der innere Markt entsteht und erweitert sich mit Entstehen und Wachstum der Warenproduktion, besonders aber mit der Entwicklung des Kapitalismus, der die gesellschaftliche Arbeitsteilung vertieft und die unmittelbaren Produzenten in Kapitalisten und Arbeiter scheidet. Durch die gesellschaftliche Arbeitsteilung wächst die Zahl der besonderen Produktionszweige. Die Entwicklung der einen Zweige erweitert den Markt für Waren, die von anderen Zweigen produziert werden, vor allem den Markt für Rohstoffe, Maschinen und andere Produktionsmittel. Die Klassendifferenzierung der kleinen Warenproduzenten, das Wachstum der Arbeiterzahl, die höheren Profite für die Kapitalisten führen ferner zu steigendem Absatz der von ihnen gekauften Konsumtionsmittel. Die Entwicklungsstufe des inneren Marktes bezeichnet die Stufe der kapitalistischen Entwicklung eines Landes.

Die Vergesellschaftung der Arbeit durch den Kapitalismus tritt vor allem darin zutage, dass die alte, der Naturalwirtschaft eigene Zersplitterung kleiner Wirtschaftseinheiten beseitigt wird und dass sich die kleinen lokalen Märkte in einem großen nationalen Markt und später im Weltmarkt vereinigen.

Bei der Untersuchung der Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals bleibt die Rolle des Außenmarktes unberücksichtigt, da die Einbeziehung des Außenmarktes am Wesen der Frage nichts ändert. Die Heranziehung des Außenhandels verlegt die Frage nur aus einem Land in mehrere Länder, doch dadurch ändert sich nichts am Wesen des Realisierungsprozesses. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Außenmarkt keine wesentliche Bedeutung für die kapitalistischen Länder hat. Auf der Jagd nach Profit dehnen die Kapitalisten einiger Produktionszweige die Produktion weit über die Grenzen der Aufnahmefähigkeit des inneren Marktes aus und suchen gewinnbringendere Außenmärkte. Andere Waren werden deshalb im Inland nicht mehr hergestellt, sondern eingeführt.

5. Kurze Zusammenfassung

1. Die Kreisläufe der individuellen Kapitale bilden in ihrer Gesamtheit die Bewegung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Das gesellschaftliche Kapital ist die ganze Masse der individuellen Kapitale in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit.

2. Das Gesamtprodukt der kapitalistischen Gesellschaft zerfällt dem Wert nach in konstantes Kapital, variables Kapital und Mehrwert, und der Naturalform nach in Produktionsmittel und Konsumtionsmittel. Die gesellschaftliche Gesamtproduktion besteht aus zwei Abteilungen: Abteilung I - Produktion von Produktionsmitteln, und Abteilung II - Produktion von Konsumtionsmitteln. Das Problem der Realisierung besteht darin, wie sich für jeden einzelnen Teil des gesellschaftlichen Produkts dem Wert und seiner materiellen Form nach auf dem Markt ein ihn ersetzender anderer Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts findet.

3. Bei einfacher kapitalistischer Reproduktion besteht die Bedingung der Realisierung darin, dass das variable Kapital plus der Mehrwert der Abteilung I gleich sein muss dem konstanten Kapital der Abteilung II. Bei erweiterter kapitalistischer Reproduktion besteht die Bedingung der Realisierung darin, dass die Summe des variablen Kapitals und des Mehrwerts der Abteilung I größer sein muss als das konstante Kapital der Abteilung II. Erweiterte Reproduktion setzt voraus, dass das Wachstum der Produktion von Produktionsmitteln das Wachstum der Produktion von Konsumtionsmitteln überflügelt.

4. In seiner Entwicklung schafft und entwickelt der Kapitalismus den inneren Markt. Im Kapitalismus wächst die Produktion und der innere Markt in höherem Maße auf der Linie der Produktionsmittel als auf der Linie der Konsumtionsmittel. Im Prozess der kapitalistischen Reproduktion treten die im Kapitalismus unvermeidliche Disproportionalität der Produktion und der Widerspruch zwischen Produktion und Konsumtion zutage, die dem Grundwiderspruch des Kapitalismus entspringen - dem Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Form der Aneignung.