Home
Impressum
Lehrbuch
  Index
  Kapitel 1
  Kapitel 2
  Kapitel 3
  Kapitel 4
  Kapitel 5
  Kapitel 6
  Kapitel 7
  Kapitel 8
  Kapitel 9
  Kapitel 10
  Kapitel 11
  Kapitel 12
  Kapitel 13
  Kapitel 14
  Kapitel 15
  Kapitel 16
  Kapitel 17
  Kapitel 18
  Kapitel 19
  Kapitel 20
  Kapitel 21
  Kapitel 22
  Kapitel 23
  Kapitel 24
  Kapitel 25
  Kapitel 26
  Kapitel 27
  Kapitel 28
  Kapitel 29
  Kapitel 30
  Kapitel 31
  Kapitel 32
  Kapitel 33
  Kapitel 34
  Kapitel 35
  Kapitel 36
  Kapitel 37
  Kapitel 38
  Kapitel 39
  Kapitel 40
  Kapitel 41
  Kapitel 42
  Kapitel 43
  Nachwort
  Anmerkungen
Buch
Dokumente

Vorheriges Kapitel: Kapitel 9     Nächstes Kapitel: Kapitel 11

Akkumulation des Kapitals und Verelendung des Proletariats

1. Produktion und Reproduktion.
2. Einfache kapitalistische Reproduktion.
3. Erweiterte kapitalistische Reproduktion. Akkumulation des Kapitals.
4. Die organische Zusammensetzung des Kapitals. Konzentration und Zentralisation des Kapitals.
5. Die industrielle Reservearmee.
6. Die agrarische Übervölkerung.
7. Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Relative und absolute Verelendung des Proletariats.
8. Der Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktionsweise.
9. Kurze Zusammenfassung

1. Produktion und Reproduktion.

Um zu leben und sich zu entwickeln, muss die Gesellschaft materielle Güter produzieren. Sie kann nicht aufhören zu produzieren, wie sie nicht aufhören kann zu konsumieren.

Tag für Tag, Jahr für Jahr verbrauchen die Menschen Brot, Fleisch und andere Nahrungsmittel, nutzen sie Kleidung und Schuhwerk ab, doch werden zur gleichen Zeit neue Mengen Brot, Fleisch, Kleidung, Schuhwerk usw. durch menschliche Arbeit geschaffen. Kohle verbrennt in Öfen und sonstigen Feuerungsanlagen, zugleich aber werden immer neue Massen von Kohle zutage gefördert. Werkzeugmaschinen werden allmählich abgenützt, Lokomotiven werden früher oder später unbrauchbar, aber in den Betrieben werden neue Werkzeugmaschinen gebaut, neue Lokomotiven hergestellt. In jeder Gesellschaftsordnung muss sich der Produktionsprozess ständig erneuern.

Diese ständige Erneuerung oder kontinuierliche Wiederholung des Produktionsprozesses ist Reproduktion. „In einem stetigen Zusammenhang und dem beständigen Fluss seiner Erneuerung betrachtet, ist jeder gesellschaftliche Produktionsprozess daher zugleich Reproduktionsprozess.“[64] Die Bedingungen der Produktion sind zugleich die Bedingungen der Reproduktion. Hat die Produktion kapitalistische Form, so auch die Reproduktion.

Der Reproduktionsprozess besteht nicht nur darin, dass die Menschen immer neue Massen von Erzeugnissen als Ersatz für die verbrauchten Güter und darüber hinaus schaffen, sondern auch darin, dass die Gesellschaft ständig die entsprechenden Produktionsverhältnisse von neuem herstellt.

Es sind zwei Typen der Reproduktion zu unterscheiden: einfache Reproduktion und erweiterte Reproduktion. Einfache Reproduktion ist Wiederholung des Produktionsprozesses auf derselben Stufenleiter; die neu produzierten Erzeugnisse ersetzen nur die verbrauchten Produktionsmittel und Gebrauchsgüter. Erweiterte Reproduktion ist Wiederholung des Produktionsprozesses auf erweiterter Stufenleiter; die Gesellschaft ersetzt die verbrauchten materiellen Güter nicht nur, sondern produziert darüber hinaus zusätzliche Produktionsmittel und Gebrauchsgüter.

Bis zur Entstehung des Kapitalismus entwickelten sich die Produktivkräfte sehr langsam. Der Umfang der gesellschaftlichen Produktion veränderte sich von Jahr zu Jahr, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt nur wenig. Im Kapitalismus machte diese langsame Entwicklung, dieses Stagnieren der gesellschaftlichen Produktion einer weitaus rascheren Entwicklung der Produktivkräfte Platz. Für die kapitalistische Produktionsweise ist die erweiterte Reproduktion charakteristisch, die von Krisenperioden unterbrochen wird, in denen die Produktion absinkt.

2. Einfache kapitalistische Reproduktion.

Bei der einfachen kapitalistischen Reproduktion wiederholt sich der Produktionsprozess in unverändertem Umfang; den Mehrwert verwendet der Kapitalist restlos für den persönlichen Verbrauch.

Bereits die Analyse der einfachen Reproduktion erlaubt, einige wesentliche Charaktermerkmale des Kapitalismus aufzudecken. Im Prozess der kapitalistischen Reproduktion werden nicht nur fortwährend die Arbeitsprodukte erneuert, sondern auch die Verhältnisse der kapitalistischen Ausbeutung von neuem hergestellt. Einerseits wird im Verlauf der Reproduktion ständig Reichtum geschaffen, der dem Kapitalisten gehört und von ihm zur Aneignung von Mehrwert benutzt wird. Nach Ablauf eines jeden Produktionsprozesses ist der Kapitalist immer wieder Besitzer von Kapital, das ihm die Möglichkeit bietet, sich durch Ausbeutung von Arbeitern zu bereichern. Anderseits kommt der Arbeiter beständig als besitzloser Proletarier aus dem Produktionsprozess heraus und muss infolgedessen, um weiter leben zu können, immer wieder seine Arbeitskraft an den Kapitalisten verkaufen. Die Reproduktion des eigentumslosen Lohnarbeiters bleibt stets die unerlässliche Bedingung der Reproduktion des Kapitals.

„Der kapitalistische Produktionsprozess reproduziert also durch seinen eignen Vorgang die Scheidung zwischen Arbeitskraft und Arbeitsbedingungen. Er reproduziert und verewigt damit die Exploitationsbedingungen des Arbeiters. Er zwingt beständig den Arbeiter zum Verkauf seiner Arbeitskraft, um zu leben, und befähigt beständig den Kapitalisten zu ihrem Kauf, um sich zu bereichern.“[65]

Somit wird im Produktionsprozess fortwährend das grundlegende kapitalistische Verhältnis von neuem hergestellt: Kapitalisten auf der einen Seite, Lohnarbeiter auf der anderen. Noch ehe der Arbeiter seine Arbeitskraft an diesen oder jenen Kapitalisten verkauft, gehört er bereits dem Gesamtkapitalisten, d.h. der Klasse der Bourgeoisie in ihrer Gesamtheit. Wechselt der Proletarier den Arbeitsplatz, so tauscht er nur den einen Ausbeuter gegen einen anderen. Der Arbeiter ist für die Dauer seines Lebens an den Karren des Kapitals gekettet.

Wenn wir den einzelnen Produktionsprozess betrachten, so scheint es auf den ersten Blick, als schieße der Kapitalist, wenn er die Arbeitskraft kauft, dem Arbeiter aus einem eigenen Fonds Geld vor, weil der Kapitalist bei Auszahlung des Lohns die vom Arbeiter innerhalb einer gegebenen Periode (z.B. eines Monats) hergestellte Ware noch nicht verkauft haben kann. Betrachten wir aber den Kauf und Verkauf der Arbeitskraft nicht isoliert, sondern als Moment der Reproduktion, als ständig wiederkehrendes Verhältnis, dann zeigt sich der wahre Charakter dieses Vorganges.

1. während die Arbeit des Arbeiters innerhalb einer gegebenen Periode Neuwert schafft, der Mehrwert enthält, werden Erzeugnisse, die der Arbeiter in der vorhergehenden Periode hergestellt hat, auf dem Markt realisiert, in Geld verwandelt. Daraus erhellt, dass der Kapitalist dem Proletarier den Arbeitslohn nicht aus einem eigenen Fonds zahlt, sondern aus dem Wert, den die Arbeit der Arbeiter innerhalb der vorhergehenden Produktionsperiode (z.B. im Verlauf des vorhergehenden Monats) geschaffen hat. Nach einem Ausspruch von Marx verfährt die Kapitalistenklasse nach dem alten Rezept des Eroberers: sie kauft den Besiegten Ware gegen deren eigenes, ihnen geraubtes Geld ab.

2. zum Unterschied von den übrigen Waren wird die Arbeitskraft vom Kapitalisten erst bezahlt, nachdem der Arbeiter eine bestimmte Arbeit geleistet hat. Somit ergibt sich, dass nicht der Kapitalist dem Proletarier vorschießt, sondern, umgekehrt, der Proletarier dem Kapitalisten vorschießt. Daher sind die Unternehmer bestrebt, nach Möglichkeit nicht so oft Lohn auszuzahlen (z.B. einmal im Monat), um auf diese Art die Zeit zu verlängern, für die sie von den Arbeitern unentgeltlich Kredit erhalten.

In Form des Arbeitslohns händigt die Kapitalistenklasse den Arbeitern beständig Geld für den Erwerb von Existenzmitteln aus, d.h. für den Erwerb eines bestimmten Teils der Erzeugnisse, die durch die Arbeit der Arbeiter geschaffen und von den Ausbeutern angeeignet worden sind. Dieses Geld geben die Arbeiter den Kapitalisten ebenso regelmäßig zurück, indem sie dafür Existenzmittel kaufen, die die Arbeiterklasse selbst hergestellt hat.

Die Analyse der kapitalistischen Verhältnisse im Verlauf der Reproduktion legt nicht nur die wirkliche Quelle des Arbeitslohns, sondern auch die wirkliche Quelle jeglichen Kapitals bloß.

Unterstellen wir, dass das vom Kapitalisten vorgeschossene Kapital in Höhe von 100000 Pfund Sterling jährlich einen Mehrwert in Höhe von 10000 Pfund Sterling bringt und dass der Kapitalist diese Summe voll und ganz für den persönlichen Verbrauch verwendet. Würde sich der Kapitalist nicht die unbezahlte Arbeit des Arbeiters aneignen, so wäre sein Kapital nach zehn Jahren restlos verbraucht. Dies geschieht aber deswegen nicht, weil die vom Kapitalisten für den persönlichen Verbrauch verwandte Summe von 100000 Pfund Sterling innerhalb des gegebenen Zeitraums vollständig aus dem Mehrwert erneuert wird, den die unbezahlte Arbeit der Arbeiter schafft.

Folglich wird jedes Kapital, welcher Art auch immer seine ursprüngliche Quelle sein möge, bereits im Verlaufe der einfachen Reproduktion nach einem bestimmten Zeitraum zu Wert, der durch die Arbeit der Arbeiter geschaffen und unentgeltlich vom Kapitalisten angeeignet worden ist. Dies beweist, wie unsinnig die Behauptung ist, das Kapital sei durch eigene Arbeit des Unternehmers erworbener Reichtum.

Die einfache Reproduktion ist ein Bestandteil oder Moment der erweiterten Reproduktion. Die für die einfache Reproduktion charakteristischen Ausbeutungsverhältnisse gewinnen unter den Bedingungen der erweiterten kapitalistischen Reproduktion noch an Schärfe.

3. Erweiterte kapitalistische Reproduktion. Akkumulation des Kapitals.

Bei der erweiterten Reproduktion verwendet der Kapitalist einen Teil des Mehrwerts für die Erweiterung des Produktionsumfangs: für den Erwerb zusätzlicher Produktionsmittel und für das Dingen zusätzlicher Arbeiter. Folglich wird ein Teil des Mehrwerts zum früheren Kapital hinzugefügt, das heißt akkumuliert.

Akkumulation des Kapitals ist Hinzufügung eines Teils des Mehrwerts zum Kapital oder Verwandlung eines Teils des Mehrwerts in Kapital. Quelle der Akkumulation ist folglich der Mehrwert. Durch Ausbeutung der Arbeiterklasse vergrößert sich das Kapital und werden zugleich auf erweiterter Grundlage die kapitalistischen Produktionsverhältnisse reproduziert.

Ein zwingender Beweggrund zur Akkumulation ist für den Kapitalisten vor allem die Jagd nach Vergrößerung des Mehrwerts. In der kapitalistischen Produktionsweise kennt die Gier nach Bereicherung keine Grenzen. Gerade auf der Jagd nach Mehrwert erweitert der Kapitalist die Produktion, wodurch es ihm möglich wird, eine größere Anzahl Arbeiter auszubeuten. Mit der Erweiterung der Produktion wächst die Masse des vom Kapitalisten angeeigneten Mehrwerts und folglich auch der Teil des Mehrwerts, der zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse und Launen der Kapitalisten dient, das heißt unproduktiv verausgabt wird.

Ein weiterer zwingender Beweggrund zur Akkumulation des Kapitals ist der erbitterte Konkurrenzkampf, in dessen Verlauf die großen Kapitalisten den Vorteil auf ihrer Seite haben und die kleinen Kapitalisten vernichten. Die Konkurrenz zwingt jeden Kapitalisten, bei Strafe des Untergangs, die Technik zu vervollkommnen und die Produktion zu erweitern. Mit der Vervollkommnung der Technik und der Erweiterung der Produktion innehalten heißt zurückbleiben; die Zurückgebliebenen aber werden von den Konkurrenten geschlagen. Somit zwingt der Konkurrenzkampf jeden Kapitalisten, sein Kapital zu vergrößern, und sein Kapital vergrößern kann er nur durch ständige Akkumulation eines Teils des Mehrwerts.

Die Akkumulation des Kapitals ist die Quelle der erweiterten Reproduktion.

4. Die organische Zusammensetzung des Kapitals. Konzentration und Zentralisation des Kapitals.

Im Verlauf der kapitalistischen Akkumulation wächst die Gesamtmasse des Kapitals, wobei sich seine verschiedenen Teile ungleichmäßig verändern. Wenn der Kapitalist Mehrwert akkumuliert und seinen Betrieb erweitert, führt er gewöhnlich technische Vervollkommnungen ein; denn diese geben ihm die Möglichkeit, die Arbeiter verstärkt auszubeuten und folglich den Profit zu erhöhen. Die Entwicklung der Technik bedeutet ein immer rascheres Anwachsen des Kapitalteils, der in Form von Maschinen, Gebäuden und Rohstoffen existiert, d.h. des konstanten Kapitals. Weitaus langsamer wächst hingegen das variable Kapital, d.h. der Kapitalteil, der für den Kauf von Arbeitskraft aufgewandt wird.

Das Verhältnis zwischen konstantem und variablem Kapital (das Verhältnis zwischen der Masse der Produktionsmittel und der lebendigen Arbeitskraft), heißt organische Zusammensetzung des Kapitals. Nehmen wir z.B. ein Kapital von 100000 Pfund Sterling. 80000 Pfund Sterling aus dieser Summe sollen für Gebäude, Maschinen, Rohstoffe usw. und 20000 Pfund Sterling für Löhne aufgewandt werden. Dann ist die organische Zusammensetzung des Kapitals 80 c : 20 v oder 4:1.

In den verschiedenen Industriezweigen und in verschiedenen Betrieben ein und desselben Zweiges ist die organische Zusammensetzung des Kapitals nicht gleich: höher ist sie dort, wo auf jeden Arbeiter mehr komplizierte und teure Maschinen, mehr verarbeitete Rohstoffe entfallen; niedriger dort, wo die lebendige Arbeit überwiegt, wo weniger Maschinen und Rohstoffe auf jeden Arbeiter kommen und wo sie relativ weniger kosten.

Mit der Akkumulation des Kapitals wächst die organische Zusammensetzung des Kapitals: es vermindert sich der Anteil des variablen Kapitals und erhöht sich der Anteil des konstanten Kapitals. So war die organische Zusammensetzung des Kapitals in der Industrie der USA im Jahr 1889 4,4 : 1, im Jahr 1904 5,7 : 1 und im Jahr 1929 6,1 : 1.

Im Verlauf der kapitalistischen Reproduktion wächst der Umfang einzelner Kapitale. Dies vollzieht sich auf dem Weg der Konzentration und der Zentralisation des Kapitals.

Konzentration des Kapitals ist Anwachsen des Kapitalumfangs durch Akkumulation von Mehrwert, der innerhalb des Betriebes geschaffen wurde. Der Kapitalist, der einen Teil des von ihm angeeigneten Mehrwerts im Betrieb investiert, wird zum Besitzer eines immer größeren Kapitals.

Zentralisation des Kapitals ist Anwachsen des Kapitalumfangs durch Vereinigung mehrerer Kapitale zu einem größeren Kapital. Im Konkurrenzkampf ruiniert und verschlingt das Großkapital die kleinen und mittleren kapitalistischen Betriebe, die der Konkurrenz nicht standhalten können. Durch Aufkauf der Betriebe des ruinierten Konkurrenten zu einem Spottpreise bzw. durch Angliederung dieser Betriebe an den eigenen Betrieb mit Hilfe anderer Methoden (zum Beispiel wegen Verschuldung) vergrößert der Großfabrikant den Umfang des in seinen Händen befindlichen Kapitals. Eine Vereinigung vieler Kapitale zu einem Kapital findet auch bei der Schaffung von Teilhabergesellschaften, Aktiengesellschaften usw. statt.

Konzentration und Zentralisation des Kapitals bedeuten Zusammenballung ungeheurer Reichtümer in den Händen einiger weniger Personen. Die Vergrößerung der Kapitale bietet ausgedehnte Möglichkeiten für die Konzentration der Produktion, d.h. für die Zusammenfassung der Produktion in Großbetrieben.

Die Großproduktion besitzt gegenüber der Kleinproduktion entscheidende Vorteile. Die Großbetriebe können neue Maschinen und technische Vervollkommnungen einführen sowie eine umfassende Teilung und Spezialisierung der Arbeit durchführen, wozu die Kleinbetriebe nicht in der Lage sind. Infolgedessen werden in den Großbetrieben die Erzeugnisse billiger hergestellt als in den Kleinbetrieben Der Konkurrenzkampf verursacht große Kosten und Verluste. Die Großbetriebe können diese Verluste tragen und späterhin vollauf ersetzen, während Kleinbetriebe und häufig auch mittlere Betriebe zugrunde gehen. Die Großkapitalisten erhalten Kredit unvergleichlich leichter und zu Vorzugsbedingungen; der Kredit aber ist eine der wichtigsten Waffen im Konkurrenzkampf. Infolge aller dieser Vorteile rücken in den kapitalistischen Ländern die Großbetriebe, die mit einer leistungsfähigen Technik ausgerüstet sind, immer mehr an die erste Stelle, während immer mehr Klein- und Mittelbetrieben ruiniert werden und zugrunde gehen. Im Ergebnis der Konzentration und Zentralisation des Kapitals werden einige wenige Kapitalisten als die Besitzer riesiger Vermögen zu Herrschern über die Geschicke von Zehntausenden und Hunderttausenden von Arbeitern.

In der Landwirtschaft führt die kapitalistische Konzentration dazu, dass sich der Boden und die übrigen Produktionsmittel immer mehr in den Händen von Großeigentümern konzentrieren und die breiten Schichten der Klein- und Mittelbauern, die des Bodens, des Zugviehs und des Inventars beraubt sind, in drückende Abhängigkeit vom Kapital geraten. Massen von Bauern und Handwerkern werden ruiniert und verwandeln sich in Proletarier.

Konzentration und Zentralisation des Kapitals führen somit zur Verschärfung der Klassengegensätze, zur Vertiefung der Kluft zwischen der bürgerlichen Minderheit, der Minderheit der Ausbeuter, und der besitzlosen, ausgebeuteten Mehrheit der Gesellschaft. Zugleich führt die Konzentration der Produktion dazu, dass immer größere Massen des Proletariats in den kapitalistischen Großbetrieben und den Industriezentren konzentriert werden. Dies erleichtert den Zusammenschluss und die Organisierung der Arbeiter zum Kampf gegen das Kapital.

5. Die industrielle Reservearmee.

Mit dem Wachstum der Produktion im Kapitalismus geht, wie bereits dargelegt, eine Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals einher. Die Nachfrage nach Arbeitskräften wird nicht durch die Höhe des Gesamtkapitals bestimmt, sondern nur durch die Höhe des variablen Kapitalteils. In dem Maße aber, wie die Technik voranschreitet, verringert sich der variable Kapitalteil relativ, d.h. im Verhältnis zum konstanten Kapital. Somit ergibt sich, dass im Zusammenhang mit der Akkumulation des Kapitals und der Erhöhung seiner organischen Zusammensetzung die Nachfrage nach Arbeitskräften relativ sinkt, obwohl die Gesamtmasse des Proletariats mit der Entwicklung des Kapitalismus wächst. Dies heißt zugleich, dass die Klasse des Proletariats einer (relativ und absolut) immer größeren Masse an fremdem, sie unterjochendem Reichtum gegenübersteht.

Infolge des relativen Sinkens der Nachfrage nach lebendiger Arbeit findet eine große Masse von Arbeitern keine Verwendung für ihre Arbeitskraft. Ein Teil der Arbeiterbevölkerung erweist sich als „überflüssig“ und bildet die sogenannte relative Übervölkerung. Dabei handelt es sich um eine „Überbevölkerung“ nur deshalb, weil dieser Teil der Arbeiterklasse gemessen an den Bedürfnissen der Kapitalverwertung überflüssig wird. In der bürgerlichen Gesellschaft wird im Maße des Anwachsens des gesellschaftlichen Reichtums ein Teil der Arbeiterklasse zu immer übermäßigerer angespannter Arbeit verdammt und der andere Teil zu erzwungener Arbeitslosigkeit.

Es sind folgende Grundformen der relativen Übervölkerung zu unterscheiden: Die flüssige Übervölkerung bilden die Arbeiter, die bei Einschränkung der Produktion, Einführung neuer Maschinen und Schließung des Betriebes für eine bestimmte Zeit ihre Arbeit verlieren. Bei Erweiterung der Produktion findet ein Teil dieser Arbeitslosen wieder Arbeit, ebenso wie ein Teil der neuen Arbeiter aus der heranwachsenden Generation. Insgesamt wächst die Anzahl der beschäftigten Arbeiter, jedoch in ständig abnehmendem Verhältnis zur insgesamt angewandten Masse an Kapital.

Die latente Übervölkerung bilden die dem Ruin preisgegebenen Kleinproduzenten, vor allem die armen Bauern und die Landarbeiter, die nur einen geringen Teil des Jahres in der Landwirtschaft beschäftigt sind, in der Industrie keine Verwendung finden und ein Elendsdasein fristen, indem sie Gelegenheitsarbeit annehmen oder in die Städte abwandern. Zum Unterschied von der Industrie vermindert sich in der Landwirtschaft mit dem Wachstum der Technik die Nachfrage nach Arbeitskräften absolut.

Die stockende Übervölkerung bilden die großen Menschengruppen, die ihre ständige Arbeit verloren haben, durchaus unregelmäßig beschäftigt sind und erheblich weniger als den üblichen Lohn erhalten. Es sind dies breite Schichten von Werktätigen, die von Hausarbeit oder sonstiger Gelegenheitsarbeit leben.

Die unterste Schicht der relativen Übervölkerung schließlich bilden die Menschen, die bereits lange Zeit aus der Produktion ausgestoßen sind, keine Aussicht auf Wiedereinstellung haben und von Gelegenheitsarbeit leben. Ein Teil dieser Menschen wird, sofern sie Ansprüche auf staatliche Unterstützung nicht oder nur zum Teil geltend machen können, zu Bettlern.

Die aus der Produktion verdrängten Arbeiter bilden die industrielle Reservearmee - die Armee der Arbeitslosen. Diese Armee ist ein notwendiges Element der kapitalistischen Wirtschaft, ohne das diese nicht bestehen und sich nicht entwickeln kann. In Perioden des industriellen Aufschwungs, wenn eine rasche Erweiterung der Produktion erforderlich wird, steht den Kapitalisten eine ausreichende Anzahl von Arbeitslosen zur Verfügung. Durch die Erweiterung der Produktion verringert sich die Arbeitslosigkeit zeitweilig. Dann aber bricht eine Überproduktionskrise herein und werden erneut erhebliche Massen von Arbeitern auf die Straße geworfen, die die Reservearmee der Arbeitslosen verstärken.

Das Bestehen der industriellen Reservearmee gibt den Kapitalisten die Möglichkeit, die Ausbeutung der Arbeiterklasse zu verstärken. Der Arbeitslose, will er wieder Arbeit finden, muss sich mit den schwersten Arbeitsbedingungen abfinden. Die Arbeitslosigkeit schafft für die in der Produktion beschäftigten Arbeiter eine unsichere Lage und senkt den Lebensstandard der gesamten Arbeiterklasse. Eben darum haben die Kapitalisten kein Interesse an einer Beseitigung der industriellen Reservearmee, die einen Druck auf den Arbeitsmarkt ausübt und den Kapitalisten billige Arbeitskräfte sichert.

Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise wächst die Arbeitslosenarmee, insgesamt gesehen, unablässig an, wobei sie sich in den Perioden des Aufschwungs der Produktion verringert und in den Krisenzeiten vergrößert.

In England waren von den Mitgliedern der Trade-Unions arbeitslos: im Jahre 1853 1,7%, im Jahre 1880 5,5%, im Jahre 1908 7,8%, im Jahre 1921 16,6%. In den USA betrug der Anteil der Arbeitslosen, gemessen an der Gesamtstärke der Arbeiterklasse, nach offiziellen Angaben: im Jahre 1890 5,1%, im Jahre 1900 10%, im Jahre 1915 15,5%, im Jahre 1921 23,1%. In Deutschland belief sich die Anzahl der arbeitslosen Gewerkschaftsmitglieder: im Jahre 1887 auf 0,2%, im Jahre 1900 auf 2%, im Jahre 1926 auf 18%. Riesige Ausmaße hat die relative Übervölkerung in neokolonial ausgebeuteten Staaten und sog. Entwicklungsländern.

Mit der Entwicklung des Kapitalismus nimmt die Kurzarbeit, bei der der Arbeiter nicht den ganzen Tag bzw. nicht die volle Arbeitswoche in der Produktion beschäftigt ist, immer größere Ausmaße an.

Folglich erweist sich die Bourgeoisie als unfähig, den Lohnsklaven des Kapitals wenigstens das Existenzniveau eines Sklaven zu garantieren.

Die bürgerlichen Ökonomen suchen die Arbeitslosigkeit im Kapitalismus durch den Hinweis auf ewige Naturgesetze zu rechtfertigen. Thomas R. Malthus (1766-1834), ein englischer Ökonom, erfand die pseudowissenschaftliche Konstruktion eines„Bevölkerungsgesetzes“. Demzufolge entwickelt sich die Bevölkerung angeblich seit Bestehen der menschlichen Gesellschaft in geometrischer Progression (wie 1, 2, 4, 8 usw.), während die Existenzmittel infolge angeblicher Begrenztheit der Naturreichtümer nur in arithmetischer Progression wachsen (wie 1, 2, 3, 4 usw.) Darin besteht nach Malthus der Grund für die Existenz einer überflüssigen Bevölkerung, damit des Hungers und Elends der Volksmassen. Das Proletariat kann sich, wie Malthus meint, von Elend und Hunger nicht durch Beseitigung der kapitalistischen Ordnung befreien, sondern nur durch Verminderung der Eheschließungen und Beschränkung der Kinderzahl. Kriege und Epidemien, die die werktätige Bevölkerung dezimieren, pries Malthus als wohltuende Erscheinungen. Die Theorie von Malthus ist zutiefst reaktionär. Sie und ihre „modernen“ Ableger dienen der Bourgeoisie zur Rechtfertigung der unheilbaren Gebrechen des Kapitalismus. Die Hirngespinste von Malthus haben mit der Wirklichkeit nichts gemein. Die leistungsfähige Technik, über die die Menschheit verfügt, vermag die Menge der Existenzmittel in einem Tempo zu steigern, das auch das rascheste Wachstum der Bevölkerung auffängt. Der Verwirklichung dieser Möglichkeit steht jedoch die kapitalistische Produktionsweise im Wege, die die wirkliche Ursache für das Elend der Massen ist.

Marx deckte das kapitalistische Bevölkerungsgesetz auf, welches darin besteht, dass in der bürgerlichen Gesellschaft im Maße der Akkumulation des Kapitals und mit dem Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums ein Teil der arbeitenden Bevölkerung unvermeidlich überzählig gemacht, aus der Produktion hinausgestoßen und zu Elend und Hunger verdammt wird. Das kapitalistische Bevölkerungsgesetz entspringt den Produktionsverhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft, der privatkapitalistischen Ausbeutung.

6. Die agrarische Übervölkerung.

Die kapitalistische Reservearmee der Arbeit ergänzt sich nicht nur aus den Reihen der Arbeiter, die aus der industriellen Produktion hinausgestoßen werden, sondern auch aus den Millionenmassen des landwirtschaftlichen Proletariats und den ärmsten Schichten der Bauernschaft.

Mit der Entwicklung des Kapitalismus verstärkt sich die Differenzierung der Bauernschaft. Es entsteht eine große Armee von Landarbeitern. Die kapitalistischen Großbetriebe schaffen eine Nachfrage nach Lohnarbeitern. In dem Maße jedoch, wie die kapitalistische Produktion einen Zweig der Landwirtschaft nach dem anderen ergreift und in steigendem Maße Maschinen angewandt werden, verringert sich die Anzahl der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter. Die ruinierten Schichten der Landbevölkerung werden zu Industrieproletariern und füllen die Arbeitslosenarmee in den Städten auf. Ein beträchtlicher Teil der Landbevölkerung bildet jedoch die sogenannte agrarische oder latente Übervölkerung. Die agrarische Übervölkerung ist die überschüssige Bevölkerung in der Landwirtschaft der kapitalistischen Länder, die infolge der Ruinierung breiter Massen der Bauernschaft entsteht; diese überschüssige Bevölkerung kann nur zum Teil in der landwirtschaftlichen Produktion beschäftigt werden und findet keine Verwendung in der Industrie.

Der latente Charakter der agrarischen Übervölkerung besteht darin, dass die überschüssigen Arbeitskräfte auf dem Lande stets in irgendeinem Grade mit einer kleinen oder kleinsten Bauernwirtschaft verbunden sind. Der landwirtschaftliche Lohnarbeiter hat in der Regel ein kleines Stück Land, das ihm entweder dazu dient, seinen Lohn durch eine Nebeneinnahme zu ergänzen, oder ihm erlaubt, in Zeiten der Arbeitslosigkeit sein Leben kümmerlich zu fristen. Derartige Wirtschaften benötigt der Kapitalismus, um auf billige Arbeitskräfte zurückgreifen zu können.

Im zaristischen Russland belief sich Ende des 19. Jahrhunderts die latente Arbeitslosigkeit auf dem Lande auf 13 Millionen Menschen. In Deutschland bildeten im Jahre 1907 von 5 Millionen Bauernwirtschaften 3 Millionen Kleinwirtschaften eine Reservearmee an Arbeitskräften. In den USA wurden in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts nach offiziellen, offensichtlich zu niedrig angesetzten Daten 2 Millionen „überflüssige“ Farmer gezählt. Besonders große Ausmaße hat die agrarische Übervölkerung in den ökonomisch rückständigen Ländern.

7. Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Relative und absolute Verelendung des Proletariats.

Die Entwicklung des Kapitalismus führt dazu, dass sich mit der Akkumulation des Kapitals auf dem einen Pol der bürgerlichen Gesellschaft gewaltige Reichtümer konzentrieren sowie Luxus und Parasitismus, Verschwendung und Müßiggang der Ausbeuterklassen zunehmen; auf dem anderen Pol der Gesellschaft verschärft sich immer mehr die Ausbeutung des Proletariats, wachsen Arbeitslosigkeit und Elend derjenigen, die durch ihre Arbeit alle Reichtümer schaffen.

Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee ... Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht . . . Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation."[66]

Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation ist der konkrete Ausdruck der Wirksamkeit des ökonomischen Grundgesetzes des Kapitalismus - des Mehrwertgesetzes. Die Jagd nach Vergrößerung des Mehrwerts führt zur Akkumulation von Reichtümern auf der Seite der Ausbeuterklassen und zum Anwachsen der Arbeitslosigkeit, des Elends und der Unterdrückung auf der Seite der besitzlosen Klassen.

Mit der Entwicklung des Kapitalismus vollzieht sich der Prozess der relativen und der absoluten Verelendung des Proletariats.

Die relative Verelendung des Proletariats besteht darin, dass in der bürgerlichen Gesellschaft der Anteil der Arbeiterklasse an der Gesamtsumme des Nationaleinkommens ständig abnimmt, während der Anteil der Ausbeuterklassen ständig wächst.

Den Angaben amerikanischer bürgerlicher Ökonomen zufolge besaß in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts 1 % der Eigentümer in den USA 59 % sämtlicher Reichtümer, während auf die armen Schichten, die 87 % der Bevölkerung ausmachen, insgesamt 8 % des Nationalreichtums entfielen. Obgleich der gesellschaftliche Reichtum absolut wuchs, verringerte sich der prozentuale Anteil der Einkommen der Arbeiterklasse ganz erheblich. Der Lohn der Arbeiter betrug im Vergleich zu den Profiten der Kapitalisten: im Jahre 1889 70%, im Jahre 1918 61%, im Jahre 1929 47%, im Jahre 1939 45%.

Die absolute Verelendung des Proletariats bedeutet direktes Absinken seines Lebensstandards.

„Der Arbeiter verelendet absolut, das heißt, er wird geradezu ärmer als früher, er ist gezwungen, schlechter zu leben, sich kärglicher zu ernähren, sich immer weniger satt zu essen, in Kellerräumen und in Dachstuben zu hausen ...

Der Reichtum wächst in der kapitalistischen Gesellschaft mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit - zugleich mit der Verelendung der Arbeitermassen.“[67]

Um die kapitalistische Wirklichkeit zu beschönigen, versucht die bürgerliche politische Ökonomie die absolute Verelendung des Proletariats zu leugnen. Die Tatsachen zeugen jedoch davon, dass im Kapitalismus der Lebensstandard der Arbeiterklasse mehr und mehr sinkt. Die absolute Verelendung des Proletariats zeigt sich darin, dass der Reallohn fällt. Wie oben bereits dargestellt, verringert sich der Reallohn beständig durch systematische Steigerung der Preise für Güter des Massenbedarfs, durch Erhöhung der Miete und durch Anwachsen der Steuerlast. In der Mitte des 20. Jahrhundert befand sich der Reallohn der Arbeiter in England, den USA, Frankreich, Italien und anderen kapitalistischen Ländern auf einem niedrigeren Stand als um die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die absolute Verelendung des Proletariats äußert sich ferner darin, dass der Umfang und die Dauer der Arbeitslosigkeit wachsen.

Die absolute Verelendung des Proletariats findet ihren Ausdruck auch in dem schrankenlosen Anwachsen der Arbeitsintensität und der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, was dazu führt, dass der Arbeiter rasch altert, seine Arbeitsfähigkeit verliert, zum Invaliden wird. Die Steigerung der Arbeitsintensität und das Fehlen unbedingt erforderlicher Arbeitsschutzmaßnahmen bewirken eine Vermehrung der Betriebsunfälle, Berufskrankheiten und vorzeitiger Arbeitsunfähigkeit.

Die absolute Verelendung des Proletariats zeigt sich besonders in den kolonialen Ländern, in denen die Arbeiterbevölkerung in äußerstem Elend lebt und die Sterblichkeit unter den Arbeitern infolge der übermäßig schweren Arbeit und des chronischen Hungerns Massenumfang annimmt.

Der Lebensstandard der armen Schichten der Bauernschaft ist im Kapitalismus nicht höher, sondern oft sogar niedriger als der der Lohnarbeiter. In der kapitalistischen Gesellschaft findet nicht nur die absolute und die relative Verelendung des Proletariats statt, sondern gehen auch die breiten Massen der Bauernschaft dem Ruin entgegen und verelenden. Im zaristischen Russland führten einige Dutzende Millionen Dorfarme ein Hungerdasein. Amerikanischen Statistiken zufolge war etwa zwei Dritteln der Farmer in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Existenzminimum nicht gesichert, so dass diese in größtem Elend dahinvegetieren. Daher drängt das Lebensinteresse die Bauernschaft zum Bündnis mit der Arbeiterklasse, die dazu berufen ist, die kapitalistische Ordnung zu stürzen.

Der Entwicklungsweg des Kapitalismus ist der Weg der Verelendung und des Hungerdaseins der überwiegenden Mehrheit der Werktätigen. In der bürgerlichen Gesellschaft bringt das Wachstum der Produktivkräfte den werktätigen Massen keine Erleichterung, sondern vermehrt ihr Elend und ihre Armut.

8. Der Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktionsweise.

In dem Maße, wie sich der Kapitalismus entwickelt, fasst er in ständig zunehmendem Ausmaß große Massen von Menschen zu gemeinsamer Arbeit zusammen. Es wächst die gesellschaftliche Arbeitsteilung. Einzelne, vormals mehr oder weniger selbständige Industriezweige verwandeln sich in eine ganze Reihe miteinander zusammenhängender und voneinander abhängiger Industrien. In riesigem Maße wächst der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Betrieben und Bezirken sowie zwischen ganzen Ländern.

Der Kapitalismus schafft die Großproduktion in Industrie und Landwirtschaft. Die Entwicklung der Produktivkräfte bringt Produktionsinstrumente und Produktionsmethoden hervor, die die Zusammenfassung der Arbeit von vielen Hunderten und Tausenden von Arbeitern erforderlich machen. Es wächst die Konzentration der Produktion. Auf diese Weise vollzieht sich die kapitalistische Vergesellschaftung der Arbeit, die kapitalistische Vergesellschaftung der Produktion.

Die wachsende Vergesellschaftung der Produktion geschieht jedoch im Interesse einer geringen Anzahl von privaten Kapitalisten, die auf die Erhöhung ihrer Profite bedacht sind. Das Produkt der gesellschaftlichen Arbeit von Millionen Menschen bildet das Privateigentum der Kapitalisten.

Also kennzeichnet die kapitalistische Ordnung ein tiefer Widerspruch: die Produktion trägt gesellschaftlichen Charakter, während das Eigentum an den Produktionsmitteln privatkapitalistisches Eigentum bleibt, das mit dem gesellschaftlichen Charakter des Produktionsprozesses unvereinbar ist. Der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter des Produktionsprozesses und der privatkapitalistischen Form der Aneignung bildet den Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktionsweise, der mit der Entwicklung des Kapitalismus immer mehr an Schärfe gewinnt. Dieser Widerspruch findet seinen Ausdruck in der zunehmenden Anarchie der kapitalistischen Produktion und dem Anwachsen des Klassenantagonismus zwischen dem Proletariat und den gesamten werktätigen Massen einerseits und der Bourgeoisie anderseits.

9. Kurze Zusammenfassung

1. Reproduktion ist ständige Erneuerung, kontinuierliche Wiederholung des Produktionsprozesses. Die einfache Reproduktion bedeutet Erneuerung der Produktion auf derselben Stufenleiter. Die erweiterte Reproduktion bedeutet Erneuerung der Produktion auf erweiterter Stufenleiter. Für den Kapitalismus kennzeichnend ist die erweiterte Reproduktion, die von Krisenperioden unterbrochen wird, in denen die Produktion sinkt. Die erweiterte kapitalistische Reproduktion ist ständige Erneuerung und Vertiefung der Ausbeutungsverhältnisse.

2. Die erweiterte Reproduktion im Kapitalismus setzt Akkumulation des Kapitals voraus. Kapitalakkumulation ist Hinzufügen eines Teils des Mehrwerts zum Kapital oder Verwandlung von Mehrwert in Kapital. Die kapitalistische Akkumulation führt zu einer Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals, d.h. zu einem rascheren Anwachsen des konstanten Kapitals im Vergleich zum variablen Kapital. Im Verlauf der kapitalistischen Reproduktion vollzieht sich die Konzentration und Zentralisation des Kapitals.

3. Mit der Akkumulation des Kapitals und der Erhöhung seiner organischen Zusammensetzung verringert sich die Nachfrage nach Arbeitskräften relativ. Es bildet sich die industrielle Reservearmee der Arbeitslosen. Der Überfluss an Arbeitskräften in der kapitalistischen Landwirtschaft, der seine Ursache in der Ruinierung der breiten Massen der Bauernschaft hat, führt zur Entstehung der agrarischen Übervölkerung. Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation bedeutet Konzentration des Reichtums in den Händen der Ausbeuterminderheit und Zunahme des Elends der Werktätigen, d.h. der überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft. Die erweiterte Reproduktion im Kapitalismus zieht unausbleiblich relative und absolute Verelendung der Arbeiterklasse nach sich. Relative Verelendung ist Verringerung des Anteils der Arbeiterklasse am Nationaleinkommen der kapitalistischen Länder. Absolute Verelendung ist direktes Sinken des Lebensstandards der Arbeiterklasse.

4. Der Grundwiderspruch des Kapitalismus ist der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter des Produktionsprozesses und der privatkapitalistischen Form der Aneignung. Mit der Entwicklung des Kapitalismus gewinnt dieser Widerspruch immer mehr an Schärfe und vertieft sich der Klassenantagonismus zwischen Bourgeoisie und Proletariat.