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Das Transportwesen und die Organisation des Güterverkehrs

Die kriegswirtschaftliche Vorbereitung eines Landes ist ohne ein entwickeltes und reibungslos funktionierendes Transportwesen undenkbar. Die Organisation der sowjetischen Wirtschaft auf einem Gebiet von 22,3 Mill. qkm, die die Sowjetunion einnimmt, ist vom Entwicklungsgrad des Transportwesens abhängig. Das Verkehrswesen hat in der Wirtschaft des Sowjetlandes, in der die für die Produktion und die Konsumtion bestimmten Güter vom Erzeuger bis zum Verbraucher über durchschnittlich 700 km transportiert werden müssen, eine besonders große Bedeutung.

Nach dem ersten Weltkrieg und dem Bürgerkrieg hat Sowjetrußland ein völlig zerstörtes und technisch rückständiges Transportwesen übernommen. Drei Fünfjahrespläne genügten, um es auf der Grundlage der sozialistischen Umgestaltung in die fortschrittlichen Wirtschaftszweige der UdSSR einzureihen. Im Verhältnis zu 1920 stieg der Güterumschlag im Bahnverkehr der UdSSR im Jahre 1940 um das Sechsunddreißigfache. In der Binnenschiffahrt erhöhte sich der Güterumschlag um das Siebenfache, in der Seeschiffahrt um das 11,6fache und im Kraftfahrzeugverkehr um das Neunundachtzigfache.

Die Schienenlänge der Eisenbahnlinien wuchs in der UdSSR bis zum Jahre 1940 auf 105300 km im Vergleich zu den 58500 km Schienenstrecke, über die das zaristische Rußland verfügte. Die Eisenbahnen wurden technisch neu ausgerüstet und ihre Beförderungskapazität erhöht. Die durchschnittliche Tagesbeladung im Bahnverkehr stieg von 27400 Waggons im Jahre 1913 auf 97900 Waggons im Jahre 1940. Das neu ausgerüstete Transportwesen der UdSSR wurde in der Zeit des Vaterländischen Krieges zu einer festen Grundlage der Kriegswirtschaft.

Während des Vaterländischen Krieges verringerte sich infolge der zeitweiligen Besetzung einer Reihe von Wirtschaftsgebieten des Landes durch die Deutschen die einsatzfähige Schienenstrecke zu Beginn des Jahres 1943 gegenüber 1941 um 40%. Der Lokomotivenpark verminderte sich in der gleichen Zeit um 15%, der Bestand an Güterwagen um 20%, ungeachtet der Tatsache, daß ein bedeutender Teil des rollenden Material aus den besetzten Gebieten nach dem Osten evakuiert wurde; die Anzahl der Flußschiffe mit Selbstantrieb verringerte sich infolge der Besetzung einer Reihe von Binnenwasserstraßen im Jahre 1942 gegenüber 1940 um 20%. Die Zahl der Flußschiffe ohne Selbstantrieb verringerte sich in der gleichen Zeit um 25% und die der Seeschiffe um 50%.

Eine Hauptaufgabe der sowjetischen Kriegswirtschaft, die mit der räumlichen Verteilung der Produktivkräfte und des Güterumschlags während des Vaterländischen Krieges verbunden war, bestand in der Überwindung der Engpässe im Transportwesen, besonders in der Entwicklung des Bahntransports. Die Überwindung dieser besonderen Schwierigkeiten der sowjetischen Kriegswirtschaft wurde vor allem auf den Eisenbahnlinien im Ural und in Westsibirien durch eine Erhöhung der Beförderungskapazität der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte und Zwischenstrecken und durch Verstärkung der Zufahrtswege der in den Gebieten des Urals, der Wolga und Westsibiriens neu errichteten Industrie erreicht.

Eine nicht minder wichtige Aufgabe für die Entwicklung des Eisenbahn- und Flußtransports während der Kriegswirtschaft bestand angesichts der fast völlig stillgelegten Produktion neuer Lokomotiven und Waggons in der Reparatur des rollenden Materials und der Flotte, in der Herstellung von Ersatzteilen, im Wiederaufbau der durch Hitlerdeutschland zerstörten Transportmittel – der Lokomotiven und Waggons sowie der Binnenschiffahrts- und der Hochseeflotte.

Die Wiederherstellung der von den Deutschen zerstörten Eisenbahnlinien vollzog sich unter den schwierigen Bedingungen der Kriegszeit. Dieser gewöhnlich unter Feindbeschuß durchgeführte Wiederaufbau ist ein Ruhmesblatt in der Geschichte der sowjetischen Eisenbahner. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß die Eisenbahner der UdSSR in den ersten 2 bis 3 Monaten des Jahres 1943 in den von den deutschen Okkupanten während der Winteroffensive der Sowjetarmee befreiten Gebieten 6600 km Bahnstrecke wiederhergestellt haben; 1943 wurden in den befreiten sowjetischen Gebieten im Ganzen 19 000 km wiederaufgebaut und in den Dienst gestellt.

Die Organisationserfahrungen, die beim Eisenbahn- und Wassertransport vor allem von Kriegs- und kriegswirtschaftlichen Gütern während des Vaterländischen Krieges gesammelt wurden, haben eine außerordentliche Bedeutung. Das sowjetische Transportwesen hat in der Kriegswirtschaft alle seine Aufgaben erfolgreich gelöst und konnte die Transportbedürfnisse der Front sowie der Kriegswirtschaft befriedigen.

In der ersten Periode des Vaterländischen Krieges gingen Eisenbahnverkehr und Flußschiffahrt erheblich zurück. Die durchschnittliche Tagesbeladung verminderte sich im Jahre 1942 im Eisenbahntransport gegenüber dem Stand von 1940 auf dem Gesamtnetz der UdSSR um das 2,3fache. In der Binnenschiffahrt ging der Gütertransport während der gleichen Zeit um das 1,8fache zurück. Der Rückgang des Frachtenumschlages auf den Eisenbahnen und Wasserstraßen war mit der zeitweiligen Besetzung eines großen Teils der Bahnlinien, vieler Binnenschiffahrtswege und eines beträchtlichen Teils der Ostsee und des Schwarzen Meeres verbunden. Die von den deutschen Okkupanten verursachten Zerstörungen und Plünderungen verminderten das rollende Material der Eisenbahnen sowie den Tonnagebestand der Schiffahrt und trugen ebenfalls zum Rückgang des Frachtumsatzes bei.

Im Jahre 1943 trat eine bedeutende Verbesserung in der Arbeit des sowjetischen Transportwesens ein. Die benutzbare Schienenstrecke erweiterte sich in diesem Jahre um 19000 km, der Lokomotivenpark vergrößerte sich um 2000 und der Güterwagenbestand um 56000 Einheiten. Die durchschnittliche Tagesbeladung erhöhte sich im Jahre 1943 gegenüber 1942 um 3000 Waggons. Der Gütertransport in der Binnenschiffahrt stieg während des Jahres 1943 um 556 Mill. t/km.

Das Anwachsen des Eisenbahngütertransports wurde vor allen Dingen durch die Überwindung der mit der räumlichen Verlagerung der Produktivkräfte sowie der Veränderung des Frachtenstromes entstandenen Engpässe in der Beförderungskapazität der Eisenbahn erreicht. Eine Verstärkung der Beförderungskapazität der in Betrieb befindlichen Eisenbahnstrecken wurde auf folgenden Linien und Ausfallstrecken durchgeführt:

  • 1. auf der Ausfallstrecke von Westsibirien zum Ural – durch Vergrößerung der Beförderungskapazität der Strecke über die Station Tschulymskaja um das 1,4fache, über Wagaj um das 1,2fache und über Sinarskaja um das 1,4fache;
  • 2. auf der Ausfallstrecke vom Südural nach dem Nordural durch Kapazitätserweiterungen der Strecke über Uktus um das Anderthalbfache;
  • 3. auf der Ausfallstrecke vom Ural in die Gebiete des Zentrums und der Wolga durch Kapazitätserweiterungen der Strecken über Kropatschewo und Kirow um das 1,2fache;
  • 4. auf der Ausfallstrecke von Mittelasien nach dem europäischen Teil der UdSSR durch Vergrößerung der Beförderungskapazität auf den Strecken von Krasnowodsk über Arysj um das 1,3fache und über Ajdyrlja um das 1,4fache.

Die Beförderungskapazität der Bahnen wurde in der Periode der Kriegswirtschaft auch durch den Bau neuer Eisenbahnlinien verstärkt. Während des Vaterländischen Krieges wurden in der UdSSR 10 000 km neue Strecke in Betrieb genommen. Hierzu gehören folgende Bahnlinien: Sewero-Petschorskaja, Sorokskaja-Oboserskaja, Swijashsk-Uljanowsk-Wolsk-Saratow-Stalingrad, die Moskauer Große Ringbahn, die Strecken Akmolinsk-Kartaly, Orsk-Kandagatsch-Gurjew, Kisljar-Astrachan und Komsomolsk-Sowjetskaja Gawan.

Besonders anschaulich ist ein Vergleich des Leistungsniveaus im Bahntransport des zaristischen Rußlands während des ersten Weltkrieges mit dem der UdSSR während des zweiten Weltkrieges. Im Kriegsjahr 1943 lag die Güterbeförderung der Eisenbahnen der UdSSR um das 2,8fache höher als die im zaristischen Rußland während des Kriegsjahres 1915 bei einer fast ebenso langen Schienenstrecke. In der erfolgreichen Arbeit des Bahntransportes während des Vaterländischen Krieges zeigten sich die technisch-ökonomische Überlegenheit und Organisiertheit der sozialistischen Produktionsweise.

Man kann jedoch nicht sagen, daß während der Kriegswirtschaftsperiode der UdSSR alle im Eisenbahntransport steckenden Reserven mobilisiert worden wären. Die Mobilisierung der ungenutzten Reserven im Bahnverkehr kann einen Zuwachs im Umschlag von Kriegs- und Wirtschaftsgütern von Tausenden von Waggons pro Tag erbringen. Diese Reserven werden aus einem Vergleich der Wagenumlaufszeit im Bahntransport vor und während des Vaterländischen Krieges ersichtlich. Die Umlaufszeit eines Güterwagens betrug bei der sowjetischen Eisenbahn im Jahre 1940 7,4 Tage; im Jahre 1942 hatte sie sich auf 13,8 Tage erhöht, 1943 war sie etwas zurückgegangen, blieb aber trotzdem auf einem Stand von 12,6 Tagen.

Ebenso wie eine Verkürzung des Produktionszyklus in der Industrie den Produktionsausstoß erhöht, vergrößert die Verkürzung der Wagenumlaufszeit den Gütertransport im Bahnverkehr. Die Verlangsamung der Wagenumlaufsgeschwindigkeit während des Vaterländischen Krieges war durch folgende Umstände bedingt:

  • 1. durch ökonomische Ursachen; hierzu gehört die Verlängerung der Gütertransportwege im Zusammenhang mit der Verlagerung der Produktivkräfte nach dem Osten;
  • 2. durch technische Ursachen; hierzu gehört die Verschlechterung der Nutzungskennziffern für das rollende Material.

Die Verlangsamung der Umlaufszeit für Güterwagen machte eine Erweiterung des Güterwagenparks im Jahre 1943 um das Anderthalbfache gegenüber 1940 erforderlich, um das frühere Transportvolumen auf den östlichen und zentralen Eisenbahnen der UdSSR zu erreichen. Die Verringerung der Umlaufszeit für Güterwagen durch Verbesserung der technischen Nutzungskennziffern für das rollende Material, durch Verminderung der Waggonstehzeiten, durch Geschwindigkeitserhöhung für Güterzüge sowie durch Ausschaltung des unverhältnismäßig langen und unrationellen Gütertransports bildet eine beträchtliche Reserve im Eisenbahnverkehr.

Diese Reserve zu mobilisieren ist eine Aufgabe der sowjetischen Eisenbahner. Hierzu ist es notwendig, den technischen Zustand des rollenden Materials wiederherzustellen und dessen Ausnutzung zu verbessern. Es ist notwendig, die Wiederherstellung und Entwicklung der Warenproduktion für den lokalen Bedarf in allen Wirtschaftsgebieten der UdSSR zu forcieren, um die Herbeischaffung dieser Güter aus entfernt liegenden Gebieten zu vermeiden. Wenn die Eisenbahn die Umlaufzeit für Güterwagen bis auf 7,4 Tage, d.h. also mindestens bis auf den Vorkriegsstand reduziert, kann die sowjetische Wirtschaft im Vergleich zu den Vorkriegsjahren für eine Erweiterung des Gütertransports zusätzlich ungefähr 260000 Waggons mobilisieren, das bedeutet einen Zuwachs in der durchschnittlichen Tagesbeladung von 35000 Waggons.

Eine der entscheidenden Voraussetzungen , die die Befriedigung der Transportbedürfnisse an der Front und in der sowjetischen Kriegswirtschaft gewährleistet hat, war die Überführung des Transportwesens auf den Kriegszustand. Die Disziplinarordnung für die Arbeiter und Angestellten im Transportwesen der UdSSR, das während der Zeit der Kriegswirtschaft auf den Kriegszustand überführt worden war, legt fest, daß die militärische Disziplin im Transportwesen die Arbeiter und Angestellten zur bewußten Erfüllung ihrer Aufgaben, zur unbedingten und genauen Ausführung der Befehle und Anordnungen ihrer Vorgesetzten verpflichtet; sie verfolgt das Ziel, in jedem Arbeiter des Transportwesens die bewußte Einstellung zur Arbeit als „einer Sache der Ehre, des Ruhmes, der Tapferkeit und des Heldentums“ zu festigen.

Die vom Statut vorgesehene militärische Disziplinarordnung verpflichtet jeden Arbeiter im Transportwesen der UdSSR, die ihm übertragenen dienstlichen Verpflichtungen genau zu erfüllen; ständig die Forderungen der im Transportwesen geltenden Gesetze, Anordnungen und Verfügungen zu beachten; sein Arbeitsgebiet zu beherrschen und sich unentwegt zu vervollkommnen; mit dem staatlichen Eigentum, den technischen Transportmitteln, Einrichtungen und Materialien und den zu befördernden Gütern sorgsam umzugehen; die in der Produktion festgesetzten Arbeitsnormen sowie die Leistungsnormen und Kennziffern der Transportmittel zu erfüllen; staatliche und militärische Geheimnisse streng zu wahren.

Gemäß der Disziplinarordnung für die Arbeiter und Angestellten des auf den Kriegszustand überführten Transportwesens der UdSSR ist der Befehl des Vorgesetzten Gesetz für den Untergebenen. Er muß bedingungslos, genau und fristgemäß ausgeführt werden. Jeder Verstoß gegen die Disziplin im Transportwesen zieht eine Disziplinarstrafe oder eine Übergabe des Falles an ein Kriegsgericht nach sich. Die im Transportwesen Beschäftigten sind für ein Dienstvergehen unter den gleichen Gesichtspunkten verantwortlich wie die Angehörigen der Armee. Sämtliche im Transportwesen begangenen strafbaren Handlungen werden von den Kriegsgerichten entsprechend den Gesetzen der Kriegszeit abgeurteilt. Die kriegsgerichtliche Verurteilung von Arbeitern und Angestellten des Transportwesens wegen eines Dienstvergehens hat Arbeitsentlassung und Versetzung in Strafkompanien an die Front zur Folge, sofern nicht eine schwerere Strafe verwirkt ist.

Der Vorgesetzte im Transportwesen der UdSSR ist seinerseits verpflichtet, in der Ausführung der dienstlichen Verpflichtungen ein Vorbild abzugeben, seinen Untergebenen genaue Befehle und Anordnungen zu erteilen, unablässig die strikte Durchführung der Befehle zu verlangen, zu überprüfen und über die Angestellten ja nach Lage des Falles eine Disziplinarstrafe zu verhängen bzw. sie zu belohnen.

Wir fassen zusammen: Trotz der größten Schwierigkeiten in der Kriegszeit gelang es, je nach Lage, dem sowjetischen Transportwesen, den Erfordernissen der Sowjetarmee und der Kriegswirtschaft der UdSSR gerecht zu werden. Um das gesamte Eisenbahnnetz mit rollendem Material zu versorgen, müssen die sowjetischen Eisenbahner durch Beschleunigung der Wagenumlaufsgeschwindigkeit Zehntausende von Waggons freimachen und für die Befriedigung der wachsenden Bedürfnisse in der sowjetischen Wirtschaft bereitstellen.